Senad Halilbašić, Ingo Starz (Hrsg.)

Bibliothek Sarajevo

2010 besuchten die beiden Herausgeber Sarajevo, mit dem Ziel eine Radiosendung zur zerstörten Nationalbibliothek Bosnien-Herzegowinas zu produzieren. Was sie vorfanden, war so reich und auch so komplex, dass sie entschieden, mit Unterstützung des Goethe-Instituts und der Robert Bosch-Stiftung, ein Buch mit Texten, die der Bibliothek gewidmet sind, herauszugeben. Versammelt sind überaus spannende und vielfältige Texte von Schreibenden aus Sarajevo: junge Autorinnen und Autoren, ältere und bekanntere, solche, die erst nach dem Krieg zum Schreiben gekommen sind, solche, die vor dem Krieg des Schreibens wegen nach Sarajevo gekommen sind, Muslime, Serben, Jugoslawen. Ein Panorama an Vielfältigkeit öffnet sich in diesen Texten, verschiedenste Perspektiven auf den Krieg, auf die zeitgenössische Nachkriegsgesellschaft, auf die Verankerung Bosnien-Herzegowinas in Europa, in der Welt. Da gibt es autobiografische Essays, ironische Zukunftsgeschichten, abgründig-traurige Zustandsbeschreibungen, poetische Reflexionen der Geschichte der Stadt. Was klar wird – Sarajevo ist eine vieldimensionale Lebenswelt, mit fein austarierten und differenzierten Sichtweisen auf die Gegenwart und deren Wurzeln. 

Und allen Texten ist das Bewusstsein gemeinsam, dass mit der Zerstörung der Nationalbibliothek, der Vijećnica, sehr viele Erinnerungen der Bewohnerinnen und Bewohner dem Vergessen anheim gefallen sind. So wird mit dieser literarischen Vermessung Sarajevos auch ein Denkmal an diese Erinnerungen gesetzt. cn

Klappentext:

Sarajevo: Es gibt die Einschusslöcher an Hauswänden und einzelne zerstörte Häuser noch, ganz sind die Spuren des Krieges im Stadtbild noch nicht beseitigt. Am auffälligsten ist die Ruine der 1992 in Brand gesetzten Nationalbibliothek, der Vijećnica. Der Wiederaufbau des neomaurischen Bauwerks kommt auch 20 Jahre nach Kriegsbeginn nur langsam voran. Mehr denn je spielt in Sarajevo die ethnische Zugehörigkeit im öffentlichen Leben eine Rolle, stärker denn je driften Politiken und Praktiken der Bosniaken, Serben und Kroaten auseinander. Der Krieg und seine Folgen haben den Zusammenhalt der Gesellschaft massiv gestört.

Die vorliegende Anthologie möchte erzählerisch und berichtend Topografie und Leben einer Stadt erkunden. Sarajevo, seine Architekturen und seine Bewohner werden literarisch beschrieben, mit den Augen der Schriftsteller durchleuchtet. Das Neben- und Miteinander der Kulturen sowie der Umgang mit einem reichen Kulturerbe sind dabei zentrale Themen. Und es klingt der Überlebenskampf der Sarajevoer an, der auch lange nach Krieg und Belagerung noch anzuhalten scheint und die Frage aufwirft: Ist Sarajevo noch die Stadt, die einem in den historischen Bauten der Altstadt entgegentritt? Mit dem entstandenen literarischen Panorama wird veranschaulicht, dass sich eine Stadt gleich einer Bibliothek "lesen" lässt. Ein Plädoyer für ein vielstimmiges Sarajevo.

Über die Autorin / über den Autor:

Senad Halilbašić, geboren 1988 in Tuzla, 1992 Umzug nach Graz. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien (Magisterarbeit zum Sarajevoer Kriegstheater). Freie Tätigkeit als Drehbuchautor, Filmkritiker und Produzent.

Ingo Starz, geboren 1969 in Heilbronn, lebt seit 1992 in Basel. Tätigkeit als Kulturwissenschaftler sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for the Performing Arts and Film der Zürcher Hochschule der Künste. Kurator am Literaturmuseum Strauhof in Zürich, Herausgeber zahlreicher Hörbucheditionen.

Preis: CHF 30.90
Sprache: Deutsch
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2012
Verlag: Drava
ISBN: 978-3-85435-682-0
Masse: 230 S.

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