Syrien ist uns in den letzten Jahren sehr nahe gerückt. Die vielen Menschen, die aus dem bürgerkriegsversehrten Land die Hoffnung auf Besserung fahren liessen und sich auf den Weg nach Europa begaben, machen eine Auseinandersetzung mit dem Land, dem Krieg, der Kultur wichtig. Syrien ist weit entfernt. Knapp haben wir eine Vorstellung von der 3000jährigen reichen Geschichte der Region, kennen Bilder von Palmyra, vom Bazar in Aleppo, wissen um die Verwicklungen des syrischen Staates und dessen Geheimdienste in die Konflikte im Nahen Osten und um die seit 1970 dauernde Herrschaft der Assad-Dynastie. Aber reicht das? Jetzt erreichen uns die Bilder der vollkommen zerstörten Städte, der Hoffnungslosigkeit der Menschen in den umkämpften Gebieten. Die Menschen fliehen, haben kein Haus, kein Essen, keinen Zugang zu Schulen oder Spitälern – welche Bedeutung kann Kunst in einem solchen Kontext haben? Zumindest eine Vorstellung davon, was den Menschen geschieht, welchen Zwängen sie ausgeliefert sind, heute und vor dem Krieg, können wir uns erlesen.
Waad al-Kateab ist eine lebensfrohe junge Frau, die im syrischen Aleppo Wirtschaftwissenschaften studiert, als die Menschen beginnen, auf die Strasse zu gehen und ihre Freiheit einzufordern. Während den Demonstrationen lernt sie den Arzt Hamza kennen, die beiden heiraten und bekommen eine Tochter: Sama. Ihr schreibt Waad drei Jahre später diesen filmischen Brief, denn mit ihrer Kamera dokumentiert sie in den Jahren seit dem Aufstand gegen den Diktator Assad das Leben und Sterben in Aleppo.
DVD mehrAl leil spielt in Quneitra, eine Stadt auf den Golanhöhen im Südwesten von Syrien, wo die osmanische Verwaltung im 19. Jahrhundert aus dem Kaukasus vertriebene Tscherkessen angesiedelt hatte, um arabische Aufständische zu kontrollieren. Der Regisseur offenbart uns das Leben dieser geschichtsträchtigen Region, geprägt von den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen und Religionen, entlang des Lebens seines Vaters. Dieser nahm als syrischer Freiwilliger am palästinensischen Aufstand gegen die britische Mandatsmacht im Jahre 1936 teil, kehrte gebrochen voller Scham und Demütigung nach Quneitra zurück, ohne je den Traum vom befreiten Palästina aufzugeben. Die Figur des Vaters und seiner Kumpanen ermöglichten mir, Palästina aus der Sicht der arabischen Solidaritätsbewegung fernab von politischem Kalkül und nahe an der Begeisterung der Basis kennenzulernen.
Der Film zeichnet sich durch eine unglaublichen Liebe zum Detail aus, welche einem erlaubt viel über die Lebenswelten an diesem Ort abseits der Zentren und doch mitten im Zeitgeschehen zu erfahren. Bis 1967 war die Stadt unter der Kontrolle der französischen Kolonialisten und fiel dann 1967 im Sechs-Tage-Krieg an Israel. Wir begleiten die Protagonistinnen und Protagonisten durch all diese politischen Turbulenzen und erfahren die Beweggründe ihres Handelns. Gerade weil diese Stadt tatsächlich existiert bzw. existierte – heute ist Quneitra eine Geisterstadt (1974 musste Israel die Stadt an die UN-Friedenstruppen abgeben. Davor zwang man die Bewohnerinnen und Bewohner die Stadt zu verlassen, um dann die Stadt gänzlich zu zerstören) – ist der wunderbar theatralisch inszenierte Spielfilm so beeindruckend.
Ich kann Al leil all denjenigen sehr empfehlen, die sich für Syrien, seine Geschichten und Menschen interessieren und die historischen Fakten nicht in einem Geschichtsbuch nachlesen, sondern künstlerisch umgesetzt ersehen möchten. ap
DVD mehr"Hewar bedeutet 'Dialog' auf Arabisch, und unser Ziel ist es, musikalische Gegensätze und Missverständnisse zu überwinden", beschreiben die drei ihr künstlerisches Credo. "Unsere Musik ist voller Abenteuerlust und von der arabischen Musiktradition beeinflusst, aber ganz und gar nicht darauf beschränkt. Als ausübende und schöpferische Künstler geht es uns auf der Bühne darum, in einem spontanen Dialog die Grenzen zwischen Improvisation und Komposition, zwischen dem Traditionellen und dem Zeitgenössischen zu verwischen."
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