Niroz Malek

Der Spaziergänger von Aleppo

Im Nachwort zu seinen 57 Miniaturen schreibt Niroz Malek: "Das Schreiben über diesen Krieg ist schmerzhaft, sehr schmerzhaft." Diesen Schmerz erfahren wir als Lesende der kurzen Texte ebenfalls. Die Grenzen zwischen Leben und Tod verwischen sich, das Leben in den Erinnerungen wird fast realer als die zerstörte Umwelt, die Träume erhalten eine beklemmende Präsenz. In den Miniaturen geht es um das Leben in Zeiten des Krieges, der ständigen Angst, in eine Granatenexplosion zu geraten, von einer verirrten Kugel getroffen zu werden, an einem Checkpoint verhaftet zu werden. Und um die Erinnerungen an eine frühere Welt, an ein Leben, wo es noch Pärke gab, wo die eigene Geschichte stattgefunden und ihre Spuren hinterlassen hat. Und die jetzt zerstört und verschwunden ist. Trotzdem will der Erzähler nicht aus Aleppo fortgehen. Gleich in der ersten Miniatur erklärt er sich in einem inneren Dialog: "Wie kann ich meine Wohnung verlassen, aus meinem Zimmer fortgehen? ... Warum? Um meinen Körper zu retten? Du solltest wissen, dass das, was ich in diesem Raum zurücklasse, nicht nur Bücher und Antiquitäten und Photographien sind. Nein, ich lasse meine Seele zurück." Er unterstreicht damit einmal mehr, wie schmerzhaft es für flüchtende Menschen ist, ihr Leben, ihre Identität und ihre Geschichte zurückzulassen. Gleichzeitig schildert er in den darauf folgenden Miniaturen, was die Konsequenzen dieser Entscheidung zum Bleiben sind: kein Schritt in den Strassen ohne Checkpoints, die fortschreitende Zerstörung von Orten, die Teil der eigenen Geschichte waren, Detonationen, die einen bis in den letzten Winkel verfolgen. Und all die Toten. Die Texte sind unbedingt lesenswert, auch weil sie uns den Alltag der Menschen in den umkämpften Gebieten in Syrien vor Augen führen. cn

Klappentext:

Niroz Malek lebt in Aleppo. Trotz allem. Und er schreibt davon, wie es ist, trotz allem in Aleppo zu leben. Das Ergebnis sind kurze Texte, Miniaturen nicht nur über den Alltag in einer Stadt, auf die Bomben fallen, sondern auch Träume, Phantasien, Texte zu Musik und Literatur, Erinnerungen an gestorbene Freunde und Weggefährten.

57 Miniaturen sind in diesem Buch versammelt, die meisten hat Niroz Malek zuerst auf Facebook veröffentlicht, bis heute schreibt er dort in unregelmässigen Abständen sehr kurze Texte. An eine Publikation in Syrien war und ist nicht zu denken.

Niroz Malek ist alles andere als ein Reporter des Schreckens, er ist der Intellektuelle, der Schriftsteller, dessen Welt Jahrhunderte an Kultur umfasst. In dieser Welt lebt er, mit seinen Büchern, Bildern und Schallplatten, und diese Welt kann und will er nicht verlassen.

Über die Autorin / über den Autor:

Niroz Malek wurde 1946 in Aleppo geboren. Er hat bislang acht Bände Erzählungen und sechs Romane veröffentlicht. Der Spaziergänger von Aleppo erschien zuerst auf französisch bei Le serpent à plumes. Das Buch wurde mit dem Prix Lorientales 2016 ausgezeichnet und inzwischen auch ins Schwedische übersetzt.

Larissa Bender hat zahlreiche Bücher aus dem Arabischen übersetzt und ist Herausgeberin des Bandes Innenansichten aus Syrien. Sie lebt und arbeitet in Köln.

Preis: CHF 24.50
Sprache: Deutsch (aus dem Arabischen von Larissa Bender)
Art: Broschiertes Buch
Erschienen: 2017
Verlag: Weidle
ISBN: 978-3-938803-83-7
Masse: 140 S.

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