Valérie Zenatti

Jacob, Jacob

Der Roman Jacob, Jacob ist sehr überraschend. Obwohl ein Kriegsroman, ist er sanft wie sein Protagonist Jacob, den es tatsächlich gegeben hat, von dessen Geschichte jedoch nichts ausser ein Foto überliefert ist. Er war der jüngere Bruder des Grossvaters der Autorin. Valérie Zenatti hat mit Jacob eine einnehmende Figur geschaffen, die sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass er trotz der grausamen Ereignisse, die Fähigkeit zu empfinden, nicht verloren hatte.

Wir begleiten Jacob, einen 19jährigen Algerier mit sonnigem Gemüt und gebrochener Identität, auf seiner Reise nach Frankreich, wo er zusammen mit muslimischen Maghrebinern und christlichen Franzosen gegen die Nationalsozialisten kämpfte. Zuvor war er jedoch von derselben Kolonialmacht wegen seiner jüdischen Herkunft vom französischen Lycée ausgeschlossen worden. Trotzdem hatte sich Jacob für den Militärdienst gemeldet, da er sich dazu verpflichtet fühlte. Die Autorin legt diese historischen Vorkommnisse offen, nicht ohne auch die familiären Konstellationen innerhalb Jacobs Familie sorgfältig zu beschreiben.

Es ist ein Roman auch über die Unterdrückung und Auflehnung der Frauen, von gewaltvoller Züchtigung der sich nicht unterordnenden Familienmitgliedern. Jacob spielt dabei die Rolle des positiven Gegenspielers zu seinen eher düsteren männlichen Mitgliedern der Familie, und er ist Vorbild für seinen Neffen Gabriel, der sich wiederum im algerischen Befreiungskrieg ebenfalls für Frankreich einsetzt, diesmal jedoch gegen seine eigenen muslimischen Landsleute kämpft. Ein starker Roman rund um Zugehörigkeit und falsche Entscheidungen. ap

Klappentext:

Der 19jährige Jacob Melki, Sohn einer bitterarmen jüdischen Schusterfamilie aus dem algerischen Constantine, wird 1944 von der französischen Kolonialmacht einberufen, um in den Krieg gegen die Deutschen zu ziehen. Abwechselnd erzählt die Autorin von seinen Erlebnissen an der Front und von seiner Familie, die zu Hause mit ihren eigenen Tragödien zu kämpfen hat.

Valérie Zenattis Roman beleuchtet den Zweiten Weltkrieg von einer ungewöhnlichen Warte – aus der Sicht der Kolonialisierten. Jacob, der nicht als französisch genug galt, um das Lycée zu besuchen, ist auf einmal französisch genug, um für die Kolonialmacht im Schützengraben zu stehen. Wie soll er sich zwischen den verschiedenen Kulturen entscheiden, die sein Leben bestimmen? Atmosphärisch, poetisch und mit grosser Empathie erzählt Zenatti von den Ängsten und Hoffnungen des jungen Mannes, der eigentlich lieber Gedichte lesen als Menschen erschiessen will.

Jacob, Jacob ist nicht nur ein Kriegs- und Kolonialroman, sondern vor allem ein berührendes Familienporträt und Zeugnis einer vergessenen Kultur.

Über die Autorin / über den Autor:

Valérie Zenatti, deren Familie aus Algerien stammt, wurde 1970 in Nizza geboren. Im Alter von 13 Jahren übersiedelte Valérie Zenatti mit ihren Eltern nach Be’er Scheva (Israel). Mit 18 Jahren leistete sie ihren Militärdienst. Ihre Erfahrungen damit verarbeitete sie in dem Buch Quand j'étais soldate. Heute lebt sie als Schriftstellerin und Übersetzerin (u.a. von Aharon Appelfeld und Zeruya Shalev) in Paris. Ihre Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt, zwei wurden verfilmt. Für Jacob, Jacob wurde sie mit dem Prix Méditerranée und dem Prix du Livre Inter des gleichnamigen französischen Radiosenders ausgezeichnet.

Patricia Klobusiczky, geboren 1968, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und arbeitete lange als Lektorin. Seit 2006 ist sie Übersetzerin, u.a. von William Boyd, Marie Darrieussecq, der Biographie Helen Hessel, Die Frau, die Jules und Jim liebte, Stéphane Hessel, Jean Prévost, Henri-Pierre Roché und Louise de Vilmorin.

Preis: CHF 28.90
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2017
Verlag: Schöffling
ISBN: 978-3-89561-462-0
Masse: 195 S.

zurück