Mattanza

Auf Katria, einer kleinen, Sizilien vorgelagerten Insel im Mittelmeer, leben die Menschen seit Generationen vom Thunfischfang. Die komplizierte und auf viel Wissen, Erfahrung und Begabung basierende jährliche "Mattanza" wird vom Raìs angeleitet und angeführt. Eine Position, die vom Vater auf den Sohn vererbt wird. Als in den 60er-Jahren dann aber kein Sohn und kein Enkel und kein Neffe zur Auswahl stehen, tritt die Enkelin des Raìs die Nachfolge an. Ist dadurch ein Fluch ausgesprochen worden, oder sind es die Veränderungen in der Welt, die den Traditionen und Gewohnheiten der Menschen auf der Insel immer weniger Raum geben? 

Nicht nur, dass die Adelsfamilie, der die Fischfabrik auf der Insel gehört, andere Ideen für die Zukunft des Thunfischfangs haben, auch die Thunfische selber bleiben mehr und mehr aus. Sei es aufgrund der riesigen Fischereiboote auf hoher See, sei es wegen der Verschmutzung des Wassers. Und immer öfter finden sich Ertrunkene in den Netzen der Fischer. Die Insel wird zu einem Aussenposten Europas und die Menschen werden mit Zeltstädten, Stacheldraht, Schulden und Überforderung allein gelassen. Der Thunfischfang ist zu seinem Ende gekommen.

Wieweit gehen Menschen, um sich ihre Traditionen, ihren Lebensunterhalt, aber auch ihren Lebensinhalt und ihre Daseinsberechtigung zu bewahren? Was geschieht mit Menschen, die sich aller Grundlagen beraubt sehen? Der schön geschriebene und packende Roman von Germana Fabiano folgt diesen Fragen auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Eine tiefe Nostalgie breitet sich aus, wenn man dem Untergang der überlieferten Traditionen folgt – aber auch ein Optimismus, dass Neues entsteht. Dass – wie es der uralte Weise Don Tanino aus Katria sagt – die Menschen nicht nichts mehr sind, sondern dass sie etwas anderes werden. cn

Seit jeher bestimmen das Meer, der Wind und vor allem der Thunfisch das Leben auf der kleinen süditalienischen Insel Katria. Angeführt vom Raìs, gibt die Mattanza, der Höhepunkt des traditionellen Thunfischfangs, den Rhythmus der Insulaner vor. Doch nachdem der Enkel und letzte legitime Erbe des Raís gegen alle Erwartungen als Mädchen geboren wird, muss Nora beweisen, dass sie auch als Frau die Traditionen ihrer Gemeinde wahren und ihrem Grossvater nachfolgen kann.

Während sich die Welt um Katria immer schneller dreht, erreichen die ersten Wellen des Tourismus die Insel und schliesslich auch der Strom an Menschen, für die dieses Stück Land das erste Stückchen Europa bedeutet. Der Wandel scheint unaufhaltsam und stellt Nora vor die Frage, wie weit sie zu gehen bereit ist, um ihre Traditionen zu schützen.

Germana Fabiano, geboren 1971 in Palermo, lebt heute auf Sizilien und in Tübingen, wo sie ihre Arbeit als Autorin mit einer Dozentur für Menschenrechte an der Universität verbindet. 2009 veröffentlichte sie ihren Debütroman Balarm und wurde für eine ihrer Kurzgeschichten mit dem Colonna d'Eroma ausgezeichnet. Nach weiteren Publikationen ist Mattanza ihr erstes Buch, das auf Deutsch erscheint.

Barbara Neeb studierte Komparatistik, Italienische und Französische Philologie. Seit 1996 übersetzt sie Belletristik, Kinder- und Jugend- sowie Sachbücher. Zudem organisiert und moderiert sie Übersetzungsveranstaltungen im Rahmen des Vereins Weltlesebühne.

Katharina Schmidt studierte Theater- und Literaturwissenschaft sowie Musiktheater-Regie in Hamburg. Sie arbeitet seit 1992 als Lektorin und Übersetzerin aus dem Italienischen und Englischen. Ausserdem moderiert und organisiert sie Literaturveranstaltungen.