Matthias Göritz

Die Sprache der Sonne

Lee, eine junge Amerikanerin, reist über Berlin nach Istanbul, wo sie sich auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer kürzlich verstorbenen Grossmutter macht. Helene Bischoff war Jüdin und konnte sich in den 30er Jahren vor der Verfolgung durch die Nazis nach Istanbul flüchten. Kemal Atatürk hat damals vielen deutschen Wissenschaftler:innen Asyl angeboten. Sie haben bei der Modernisierung der Türkei mitgeholfen. Als Kompass für ihre Suche dient Lee das Tagebuch ihrer Grossmutter, in dem sie auch viel über Georg Naumann geschrieben hat. Ein Mann, der ihr offenbar viel bedeutet hat. Entgegen allen Erwartungen findet Lee den alten Mann, inzwischen 117-jährig, und lässt sich von ihm seine Geschichte und diejenige ihrer Grossmutter erzählen. Und auch die Geschichte der modernen Türkei, der verschiedenen Gruppen von Intellektuellen im damaligen Istanbul, die Entstehung der modernen türkischen Sprache, der Sprache der Sonne.

Das Buch wechselt in den Zeiten und zwischen den Orten. Einerseits bewegen wir uns mit Lee im heutigen Istanbul, mit ihren Freundinnen, ihren Geliebten, auf den Fährschiffen zwischen den verschiedenen Stadtteilen; dann aber auch in Amerika, am Bard College, an dem ihre Grossmutter unterrichtet hat und wo sie eine enge Beziehung zu ihr pflegen konnte. Und den grössten und auch den faszinierendsten Teil nimmt die Geschichte Naumanns ein, der aus dem Lazarett des Ersten Weltkriegs in das Berlin der Zwischenkriegszeit geraten ist, dort Orientalistik studiert hatte und von den Nazis nach Istanbul geschickt worden ist. Denn man wollte sich die Türkei als Bündnispartner und als "verwandte" Nation sichern. Naumanns Erinnerungen an das damalige Berlin, an die Intellektuellenkreise in Istanbul, an sein Leben und seine Träume sind äusserst dicht und poetisch.

Ein flimmerndes und glitzerndes Mosaik von Istanbul. Sehr lesenswert! cn

Klappentext:

Die junge Amerikanerin Lee, unruhig, frisch getrennt, reist auf der Suche nach der Vergangenheit ihrer Grossmutter nach Istanbul. Helene Bischoff hatte sich als deutsche Jüdin in den 30er Jahren vor der Verfolgung durch das NS-Regime dorthin gerettet. Damals bot Kemal Atatürk grosszügig Juden Asyl in der Türkei, er hatte vor allem Intellektuelle, Ingenieure, Ärzte und Juristen im Blick, die mithelfen sollten, die radikale Modernisierung der Türkei voranzutreiben. Lee entdeckt in Istanbul, dieser geschichtsträchtigen und überbordenden Megacity zwischen Orient und Okzident, dass der ehemalige Weggefährte und zeitweilige Geliebte ihrer Grossmutter, der Journalist und Agent Georg Naumann, immer noch lebt, weit über hundert Jahre alt. Was verbindet ihn mit Helene und vielleicht sogar mit ihr, Lee?

In diesem spannenden, facettenreichen Roman erleben wir die Gewalt der Geschichte, die Macht der Liebe und Istanbul als Labyrinth und Rettung. Kenntnisreich und sinnlich – der neue, grosse Roman von Matthias Göritz.

Über die Autorin / über den Autor:

Matthias Göritz lebt in St. Louis, wo er an der Washington University lehrt. Er ist Lyriker, Übersetzer und Theaterautor und veröffentlichte die Romane Der kurze Traum des Jakob Voss (2005), bei C.H.Beck Träumer und Sünder (2013) und Parker (2018) und zuletzt u.a. den Gedichtband Spools (2021). Er erhielt den Mara-Cassens-Preis, den William H. Gass Award und den International Pretnar Award.

Preis: CHF 34.50
Sprache: Deutsch
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2023
Verlag: C.H. Beck
ISBN: 978-3-406-80004-7
Masse: 331 S.

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