Als Mohamed Choukris autobiographischer Roman Das nackte Brot im November 1986 in der Anderen Bibliothek erstmals auf Deutsch erschien, war das Erstaunen gross. Zu entdecken galt es einen der grossen marokkanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte seiner Kindheit, die Choukri vor den Leserinnen und Lesern ausbreitete, war eine der Armut und des Elends und zugleich das ergreifende Zeugnis eines unbändigen Lebenswillens.
Weitgehend unbemerkt blieb allerdings die ebenso mitreissende Fortsetzung seiner Lebensgeschichte, die acht Jahre später erstmals auf Deutsch erschien. Über die Gründe dafür kann man nur rätseln. Womöglich war Deutschland in den Jahren nach der Wiedervereinigung zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Nun liegt Choukris zweiter autobiographischer Roman Zeit der Fehler in der Übertragung von Doris Kilias endlich wieder vor – gemeinsam mit Das nackte Brot in der Übersetzung von Georg Brunold, das parallel dazu als Extradruck erscheint.
Georg Brunold hat in den 1980er Jahren mehrere Monate mit Mohamed Choukri in Tanger Logis und Haushalt geteilt, der Schriftsteller überliess dem Übersetzer sogar sein Bett. Von der Begegnung mit Choukri erzählt Brunold in seinem Essay, der diesem Band, mit einem Porträt der Stadt Tanger, beigegeben ist. Zusammen gelesen erscheinen die beiden Romane Choukris, in den Worten Brunolds, als zwei Bücher der "Tücken, Listen und Entfesselungskünste" und "der stets aufs Neue beglückenden, da längst nicht mehr erwarteten Rettung aus grosser Not".
Über die Autorin / über den Autor:Mohamed Choukri, Sohn eines Bauern aus dem marokkanische Rif, wurde 1935 in Beni Chiker geboren. Erst mit einundzwanzig Jahren lernte er Lesen und Schreiben – im Gefängnis von Tanger: von seiner Kindheit und Jugend, geprägt von Armut, Hunger, Kriminalität, Alkohol, Haschisch und Nächten in Bordellen, erzählt Choukri in seinem autobiographischen Romanen Das nackte Brot und Zeit der Fehler. Später war Choukri Arabischlehrer an einem Gymnasium in Tanger und arbeitete als Literaturkritiker für den Rundfunk. Seine Freundschaft zu Literaten wie Paul Bowles, Jean Genet und Tennessee Williams führte zu seiner Entdeckung als Schriftsteller. Am 15. November 2003 starb Mohamed Choukri im Militärhospital in Rabat.
Doris Kilias (1942-2008) studierte Romanistik und Arabistik in Berlin und Kairo. Sie arbeitete als Literaturwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität zu Berlin und Übersetzerin aus dem Arabischen. Neben Mohamed Choukri übertrug sie Werke von Nagib Mahfuz, Gamal al-Ghitani, Miral al-Tahawi, Rajaa Alsanea und Emily Nasrallah. 1999 wurde sie "für ihre präzisen, Einblick in eine andere Kultur gewährenden Übersetzungen der Romane des ägyptischen Nobelpreisträgers Nagib Mahfuz" mit dem Jane Scatcherd-Preis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung ausgezeichnet.
Georg Brunold, geboren 1953 in Arosa/Graubünden, ist Journalist, Schriftsteller und Übersetzer. Er war Afrika-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung mit Sitz in Nairobi, Stellvertretender Chefredakteur der Kulturzeitschrift du in Zürich und lebt heute wieder in Arosa. In der Anderen Bibliothek sind von ihm erschienen: Nilfieber. Der Wettlauf zu den Quellen (1993), Afrika gibt es nicht. Korrespondenzen aus drei Dutzend Ländern (1994), Ein Haus bauen. Besuche auf fünf Kontinenten (2006) und, von ihm herausgegeben und übersetzt: Winston Churchill, Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi (2008).
Preis: CHF 63.00