Miroslav Krleža reduziert in seinen Kriegsnovellen unter dem Sammeltitel Der kroatische Gott Mars den Krieg auf seine elementarsten Auswirkungen. Er zeigt ihn nicht als den viel zitierten "Vater aller Dinge", sondern als deren furchtbarste Folge. Eine solche wahrhaftige Darstellung des Krieges ist nur dem möglich, der ihn ohne irgendwelche Interessen durchleidet. Jeder der sogenannten "höheren Gesichtspunkte" ist eine grosse Lüge, die den Krieg allen unschuldig Leidenden, die seine Ziele nicht verstehen können, verständlich machen soll. Jahrhunderte hindurch mussten die Kroaten an Kriegen teilnehmen, die nur andere verstanden – die Türken, die Ungarn, die Habsburger. Durch eine schicksalhafte Konstellation standen sie im Ersten Weltkrieg, dessen Anlass und Beginn in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft lagen, auf der Seite der Mittelmächte. Unter anderen Oberherren hätten sie ihn, ebenso gezwungen, auf der Gegenseite mitmachen müssen. Deshalb werden die verachteten Zagorianer Landwehrsoldaten, die ergreifenden passiven Helden der Kriegsnovellen von Miroslav Krleža, gerade wegen ihrer machtlosen "Geworfenheit" in ein unverstandenes, aber dennoch bis zum letzten, bitteren Ende durchzulebendes Dasein zu gleichnishaften Bildern unserer menschlichen Existenz.
Noch während des Ersten Weltkrieges oder kurz nachher entstanden diese bei aller harten, fast dokumentarischen Realistik, bei aller leidenschaftlichen Polemik für die Würde des Menschen dennoch mit einer eigenartigen Poesie faszinierenden Erzählungen. Sie erwiesen sich nach einem Vierteljahrhundert als prophetische Ankündigung menschlichen Leides in einem noch gewaltigeren Krieg und werden nach fast einem Jahrhundert zur ungeheuren, wortgewaltigen Mahnung. Hier versucht nicht ein phrasenhafter Pazifismus eine fragwürdige Unnotwendigkeit des Krieges aufzuzeigen, sondern dessen fragwürdige Notwendigkeit wird in mitreissender Anklage dargestellt. Meisterhaft nimmt der Dichter dabei weniger die Schlacht selbst als vielmehr das entwürdigende Leben in der Etappe, in den Kasernen, in den Transportzügen, in den Lazaretten zum Gegenstand seiner Schilderungen. Diese können nichts von ihrer Unmittelbarkeit uund suggestiven Wirkung verlieren, weil sich seit dem Ersten Weltkrieg wohl die Waffen, nicht aber die menschlichen Leiden des Krieges verändert haben.
Über die Autorin / über den Autor:Miroslav Krleža, dieser "ungebärdige Riese der europäischen Literatur", wie er einmal genannt wurde, kam 1893 in Zagreb zur Welt und machte den Ersten Weltkrieg als Offizier der österreichischen Armee mit. Mit umfassendem Wissen und revolutionärem Mut schrieb er zwischen den beiden grossen Kriegen gegen menschliches Unrecht und gesellschaftliche Missstände. Die Abgeschlossenheit der südslawischen Literatur, zu deren bedeutendsten Vertretern er bald zählte, liess sein literarisches Riesenwerk, das Epik, Dramatik, Lyrik ebenso umfasst wie grandiose Polemiken, Essays und kulturkritische Betrachtungen, im Ausland lange nicht bekannt werden. Erst in jüngerer Zeit wird sein Name immer häufiger unter den Exponenten der europäischen Literatur genannt. Die überfällige Begegnung mit ihm gilt als eine der grossen Überraschungen, er wurde Sartre, Céline, Bernanos, Samuel Beckett, Henry Miller, Marcel Proust und anderen an die Seite gestellt; unverkennbar und eigenwillig ist aber seine geniale Erzählkunst, die auch die Novellensammlung Der kroatische Gott Mars auszeichnet.
Preis: CHF 28.50