Miljenko Jergović

Der rote Jaguar

Der rote Jaguar setzt sich aus drei Teilen zusammen, die auch ganz unabhängig voneinander gelesen werden könnten. Der erste Teil ist die Lebenserzählung von Zoran, einem bosnischen Serben, der nach dem in Sarajewo ausgestandenen Krieg, zusammen mit seiner Frau nach Wien ausgewandert ist. Zoran und seine Frau möchten ihren Kindern eine durch und durch österreichische Identität weitergeben, sie möchten sie vollkommen fern von ihren Erinnerungen an den Balkan halten, gehen selbst auch nie zurück. Erst als die Kinder ausgezogen sind, gesteht sich Zoran ein, dass es da eine Leerstelle gibt und er wieder einen Zugang zu seiner früheren Heimat finden möchte. In den Erinnerungen an sein früheres Leben mischt sich die einzigartige Fabulierlust von Jergovic und ein fein ziseliertes psychologisches Porträt, das unglaublich packend ist, entsteht.

Im zweiten Teil erzält Ante Gavran, genannt Cumur, ein Ustascha-naher General von seinem Aufwachsen, seiner Herkunft, seiner Selbstwahrnehmung und seinen unumstösslichen Ansichten gegenüber den "Anderen", die es von der eigenen Heimat auszuschliessen gilt. Ein düsteres Porträt, ein Versuch, sich auf die Argumentation eines nationalistischen Kriegstreibers einzulassen.

Im dritten Teil wechselt die Erzählung in die Zukunft. In einer nicht näher definierten Zeit treffen Zoran, der Fahrer des roten Jaguars, und Cumur aufeinander. Das zeitgleiche Fussballspiel zwischen Serbien und Kroatien trägt ebenfalls dazu bei, dass dieses Aufeinandertreffen eine Katastrophe auslöst. Es ist schwärzester Zynismus, der den dritten Teil prägt. Da sprechen oder besser schreien Wut und Enttäuschung aus den Zeilen, darüber, wie nationalistische Ideen nach wie vor oder wieder Fuss gefasst haben in den verschiedenen Ländern Ex-Jugoslawiens.

Ein sehr lesenswertes Buch, aber auch ein düsteres und sehr wütendes. Optimistisch mag es einen nicht stimmen. cn

Klappentext:

Auf einer traumhaften Küstenstrasse kreuzen sich zwei Lebenswege auf verhängnisvolle Weise: Zoran ist ein Serbe, der keiner sein will, seiner Heimatstadt Sarajevo den Rücken gekehrt hat und inzwischen in Wien lebt. Seit er nach einem Punkkonzert der Staatssicherheit berichten musste, verfolgt ihn die Scham über seine Schwäche. Erstmals nach langer Zeit ist er mit seiner Frau in einem roten Jaguar wieder in der alten Heimat unterwegs. Der Kroate Ante Gavran dagegen, der aus einfachen Verhältnissen zum General aufgestiegen ist, hält grosse Stücke auf sein Land. Voller Stolz verhilft er dem faschistischen Erbe der Ustascha mit Gewalt zur Geltung. Mitten in einem aufgeheizten Fussballspiel zwischen den beiden Nationen, das alle im Fernsehen verfolgen, läuft der Sohn des Generals auf die Strasse. Direkt vor den Jaguar.

Mit unbändiger Erzähllust und kritischem Geist braust Miljenko Jergović in seinem neuen Roman in eine nahe Zukunft, in der die Geister des Nationalismus, die der Balkan rief, mithilfe von Fake News ausser Rand und Band geraten.

Über die Autorin / über den Autor:

Miljenko Jergović, geboren 1966 in Sarajevo, lebt in Zagreb. Er arbeitet als Schriftsteller und politischer Kolumnist und ist einer der grossen eruopäischen Gegenwartsautoren. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden. Zuletzt erhielt er (gemeinsam mit seiner deutschen Übersetzerin Brigitte Döbert) den Georg Dehio-Buchpreis 2018.

Brigitte Döbert, geboren 1959, lebt in Berlin. Sie überträgt seit über zwanzig Jahren Belletristik aus verschiedenen exjugoslawischen Staaten ins Deutsche, darunter Die Tutoren von Bora Ćosić und das Werk von Miljenko Jergović.

Preis: CHF 30.90
Sprache: Deutsch (aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2021 (2019)
Verlag: Schöffling
ISBN: 978-3-89561-389-0
Masse: 191 S.

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