Der namenlose Ich-Erzähler sitzt im Zug nach Berlin. Er bricht auf, aus einer gescheiterten Liebe, aus einem Küstenstadt an der dalmatischen Küste, aus einem Leben, das von Depression, Tatenlosigkeit und Zynismus geprägt war. In den aus jeweils einem Satz bestehenden Kapiteln erzählt der Erzähler von seinem Leben, seiner Familie, seinen früheren Hoffnungen und von der Liebe zu der Frau, die ihn nun gebeten hat, zu gehen.
Seine Erzählungen sind geprägt vom Weggehen, von Verlusten, vom Zurückbleiben. Sein Vater ist weggegangen, und das war gut; seine Mutter ist nach Deutschland arbeiten gegangen; sein Bruder ist verschwunden. Inzwischen sind Vater und Mutter tot. Auch das alte Jugoslawien hat sich aufgelöst, zurückgeblieben ist ein gesellschaftliches Konglomerat, das in etwas anderes übergehen muss. Diese Transition stand über Jahre im Zentrum des journalistischen Schreibens des Erzählers – bis er nur noch zynisch darauf blicken konnte. Die Extremform des Weggehens und des Aufbrechens begegnet ihm immer wieder, in den Vertreibungen durch den Krieg, durch Hunger, durch Elend. Auf der Zugfahrt erinnert er sich an andere Grenzen und Zugfahrten, an den erzwungenen Aufbruch.
So ist das Sinnieren im Zug eine Variation des Themas des Aufbrechens. Die Angst vor dem Aufbrechen, vor dem Ankommen, vor dem Neuen. Und tatsächlich schleicht sich ein kleiner Hoffnungsschimmer ein. Dass der Aufbruch des Erzählers doch vielleicht zu einem Neubeginn führen kann.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre, die fordert und herausfordert! cn
Klappentext:Ein Mann sitzt im Zug, auf der Reise von einem kleinen Ort irgendwo an der südlichen Küste Europas nach Berlin. Im Takt der ratternden Räder lässt er seinen Gedanken freien Lauf. Er erzählt eine Geschichte über die Unmöglichkeit eines erfüllten Lebens, gesellschaftlichen Aufstiegs und über die Hoffnung, beides doch zu erreichen. Das Ergebnis: ein Porträt eines Schriftstellers, der tief in unserer Epoche verwurzelt ist, einer Zeit, in der Grenzen und Grenzerfahrungen zum Alltag gehören und in der die Liebe als unmöglich und dennoch als letzte Rettung anmutet.
Ivana Sajko legt eine furiose Erzählung vor, in der bittere Realität und Optimismus aufeinandertreffen – und Hoffnung aufkommen lassen. Meisterhaft übersetzt von Alida Bremer.
Über die Autorin / über den Autor:Ivana Sajko, geboren 1975 in Zagreb/Kroatien, ist Autorin und Theaterregisseurin. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Literatur, Performance und Musik und ist Autorin von vier von der Kritik gepriesenen Romanen und mehreren politischen Theaterstücken wie Archetyp: Medea. Bombenfrau. Europa, das ein internationaler Erfolg wurde. Auf Deutsch erschienen ausserdem Rio Bar, Trilogie des Ungehorsams und Auf dem Weg zum Wahnsinn (und zur Revolution), alle von Alida Bremer übersetzt. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter den Chevalier de l'ordre des Arts et Lettres. 2018 wurde sie für Liebesroman mit dem Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt ausgezeichnet.
Alida Bremer wurde 1959 in Split/Kroatien geboren. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft, Romanistik, Slawistik und Germanistik und promovierte im Fach Vergleichende Literaturwissenschaft. Sie übersetzte zahlreiche Romane, Theaterstücke, Essays, Gedicht- und Erzählbände aus dem Kroatischen ins Deutsche; sie schreibt in deutscher und kroatischer Sprache und lebt als freie Übersetzerin und Autorin in Münster. Für Voland & Quist übersetzte sie Bücher von Edo Popovic, Roman Simic und Ivana Sajko. Für Liebesroman wurde sie als Übersetzerin mit dem Internationalen Literaturpreis 2018 des Hauses der Kulturen der Welt ausgezeichnet.
Preis: CHF 30.90