Istrien ist ein komplexes Gebilde. Das musste wohl auch Richard Swartz, der seit rund einem Vierteljahrhundert in Istrien lebt, erfahren. In dem sehr lesenswerten Buch lässt er uns an seiner Suche nach der Entschlüsselung der istrischen Realität teilhaben. Anhand seiner direkten Bezugssysteme, seiner Frau, seinen Schwiegereltern, seinen Nachbarn, und mittels einer Vielfalt von kleinen Anekdoten versucht er die grossen Fragen zu beantworten: nach Identität, nach nationaler Zugehörigkeit, nach der Vergangenheit des kommunistischen Systems, nach dem Stellenwert der Religion und nach der Zukunft der kleinen Halbinsel. Am Anfang mutet es zwar eigenartig an, dass er Details aus der Familiengeschichte seiner als Autorin sehr bekannten Ehefrau, Slavenka Drakulić, ausbreitet. Doch mit der Zeit kann man sich dank seiner sensiblen Schreibweise in ihn hineinversetzen – in die vielen Fragen des Alltags, in das teilweise grosse Unverständnis gegenüber der Denkweise der Istrianer, in das Verlorensein in einem System, das man nicht wirklich begreifen kann. So wird es denn ein gemeinsames Kennenlernen vieler kleiner Regeln, die ein Verständnis für das Leben in diesem Teil der Welt tatsächlich ermöglichen. cn
Klappentext:Mit dem Blick eines Ethnologen untersucht der schwedische Schriftsteller und Journalist Richard Swartz, welche Einflüsse das moderne Europa auf ein kleines Dorf in Istrien hat. Dieses Dorf nahe der adriatischen Küste, Sovinjak, ist eine eigene, teilweise in sich abgeschlossene Welt. Swartz, der einen grossen Teil seines Lebens an diesem Ort verbringt, geht den Fragen nach, welche Rolle Religion und Ideologie spielen, welche Bedeutung Heimat und Grenze haben und wie eine Gesellschaft ökonomisch funktioniert, die nicht auf marktwirtschaftliche Vorstellungen aufgebaut ist.
Wunderbare Geschichten über ein kleines Dorf im grossen Europa, aus denen sich eine Art Mentalitätsgeschichte Südosteuropas entfaltet.
Über die Autorin / über den Autor:Richard Swartz wurde 1945 in Stockholm geboren, studierte dort und in Prag und war fast 40 Jahre lang Osteuropa-Korrespondent vom Svenska Dagbladet mit Wohnsitz in Wien. Er ist Autor zahlreicher Bücher, 1996 erschien Room Service auf Anregung von Hans Magnus Enzensberger, seine erste belletristische Veröffentlichung, der weitere folgten. 2007 erschien bei S. Fischer seine Anthologie Der andere nebenan über gegenwärtige Prosa im südosteuropäischen Raum. Zuletzt erschien von ihm Wiener Flohmarktleben.
Er ist mit der Journalistin und Schriftstellerin Slavenka Drakulić verheiratet.
Preis: CHF 28.90