Anna Yeliz Schentke

Kangal

Kangal ist die Bezeichnung für einen türkischen Hirtenhund. Unter diesem Decknamen agierte die in Istanbul lebende Oppositionelle Dilek im Netz. Wir Lesenden lernen sie jedoch in diesem Moment kennen, als sie – ohne ihrem Partner Tekin Bescheid zu geben – nach Frankfurt zu ihrer apolitischen Cousine Ayla reist. Dilek weiss, diese Reise ist nur möglich, solange es noch keine Akte über sie als Dilek gibt. Noch ist die Verbindung von Kangal zu Dilek von der Polizei nicht hergestellt worden. Jedoch wie lange? Hält ihr festgenommener Verbündeter Baran und deren Freundin Sina dicht?

Kangal liest sich wie ein Krimi, aber ist weit mehr. Abwechselnd melden sich Kangal, Dilek, Ayla und Tekin zu Wort. Es ist unter anderem auch diese Vielstimmigkeit, die Kangal so kräftig macht. Beeindruckend spiegelt sich in den kurzen Sätzen die Atemlosigkeit einer Generation, die 2013 gegen die Politik von Erdogan im Gezi Park und Taksim-Platz demonstrierte und seither unter Beobachtung steht und Verfolgung erleidet. Nach dem gescheiterten Militärputsch von 2016 wurde die Repression von Oppositionellen noch systematischer. Dank des distanzierten, jedoch in keiner weise oberflächlichen Schreibstils, macht die Autorin das perfide System der Überwachung noch greifbarer und fast physisch erfühlbar. Auf überzeugende Weise führt sie uns vor Augen, welche Auswirkungen dieses Klima des Misstrauens und Willkür auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ausübt, sei es in der Türkei, sei es in Deutschland. Sehr empfehlenswert. ap

Klappentext:

Dilek und Tekin sind ein junges Paar in Istanbul. Nicht erst seit dem Juli 2016 hat sich auch für sie die Stadt verändert. Als Dilek Jahre später in ein Flugzeug steigt, weiss ihr Freund nichts davon, niemand soll wissen, dass sie, die online "Kangal" heisst, bald in Frankfurt landet. Ayla ist überrascht, als ihre Cousine Dilek sich bei ihr meldet, die gemeinsamen Sommer sind lange her. Und während sich Tekin in Istanbul auf die Suche macht, fragt sich Ayla: Wer ist Dilek heute? Sie will ihr glauben, aber ist das, was Dilek fürchtet, auch wahr? 

Anna Yeliz Schentke erzählt furchtlos und aufrichtig von der Freundschaft in instabilen Zeiten. Kangal ist ein atemloser Roman über aktuelle Unterdrückung und über eine Generation, die auf der Suche ist: nach einer gemeinsamen Sprache, nach Sicherheit und Zugehörigkeit.

Über die Autorin / über den Autor:

Anna Yeliz Schentke ist 1990 in Frankfurt geboren, aufgewachsen und lebt auch heute dort. Das letzte Mal in Istanbul war sie Ende 2015. Im Frühjahr 2020 nahm sie an der Schreibwerkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung teil und stand im Herbst 2020 auf der Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. Kangal ist ihr Debütroman.

Preis: CHF 29.90
Sprache: Deutsch
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2022
Verlag: Fischer
ISBN: 978-3-10-397081-4
Masse: 208 S.

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