Nowhere Men

Ein sehr schön gemachtes, gut designtes Buch, das die archetypischen Geschichten von sechs Personen, die aus verschiedenen Teilen der Welt, aus unterschiedlichen Gründen fliehen müssen, erzählt. In den Geschichten schafft es Miler, den Personen Leben einzuhauchen. Die Gegenüberstellung der Erzählungen der sechs Personen mit Zeitungsausschnitten oder Aussagen von Politikern aus den vergangenen zwanzig Jahren gibt einen guten kreativen Assoziationsraum. Ein Schwachpunkt scheint allerdings, das die einzelnen Geschichten, die als generische Geschichten zu verstehen sind, ein wenig zu stereotyp geraten und so an Authentizität einbüssen. cn

In Europa leben mehr als drei Millionen illegale Einwanderer. Unzählige kommen jedes Jahr hinzu. Auf der Suche nach einem besseren Leben durchfahren sie Wüsten in rostigen LKWs, überqueren Meere auf morschen Holzkähnen und passieren Grenzen unter glühenden Motorhauben. Unser Wissen über sie beschränkt sich meist auf tragische Nachrichtenmeldungen und simple politische Botschaften. Nowhere Men will die Wirklichkeit dieser Menschen begreifbarer machen - indem es ihre Geschichten erzählt und in einen grösseren Zusammenhang stellt.

Über eineinhalb Jahre hinweg hat Christoph Miler Gespräche mit "Illegalen" geführt, hat ihre Geschichten dokumentiert und als Grundgerüst für Nowhere Men herangezogen, hat sie verdichtet, collagiert und mit Recherche- und Erfahrungsmaterial angereichert. Das Ergebnis sind sechs Erzählungen, sechs episodenhafte Biografien, die nicht als verbindliche Lebensläufe, sondern als literarische Protokolle und archetypische Skizzen irregulärer Migration zu lesen sind, eingebettet in ein Netz globaler Ereignisströme und Machtstrukturen, die sie direkt oder indirekt berühren. Denn es lässt sich nicht mehr abstreiten: die unscheinbarsten Geschehnisse vor unserer Haustüre beeinflussen heute auch die Leben all jener Menschen, die einst noch so unendlich weit entfernt schienen.

Christoph Miler, geboren 1988 in Wien, studierte Design in Dornbirn, Sydney und Zürich. Parallel zu seiner Tätigkeit als Gestalter entwirft er in freien Projekten erzählerische Formen der Gesellschafts- und Globalisierungsanalyse. Seine bevorzugten künstlerischen Ausdrucksmedien sind Text, Fotografie und Illustration, am liebsten in Büchern oder Ausstellungen zusammengeführt. Er lebt und arbeitet zur Zeit in Zürich und Bern.