Stanisław Strasburger

Der Geschichtenhändler

"Eines Tages erschien ein Händler. Er stellte einen leeren Stand mit einer Tafel auf: Ich verkaufe bewahrte, wahre und bewährte Geschichten." Nichts anderes macht der aus Polen kommende, in Köln und Beirut lebende Stanisław Strasburger. Im Geschichtenhändler begibt er sich auf die Reise nach Damaskus, Beirut oder Akaba, um die Geschichten seines Protagonisten Mirek zu erzählen. Im Gegensatz zur Rezension von Marta Kijowska in der FAZ, die von der Lektüre des Buches "verwirrt und erschöpft" war, hat mich das Lesen dieses anspielungs- und facettenreichen Textes in eine Spannung versetzt, die nur kleine Lesepausen erlaubte. Denn die Montage dieses Romans hat mich gänzlich in ihren Bann gezogen. Wer sich auf eine geradlinig erzählte Geschichte einstellt, wird in der Tat gleich zu Beginn der Lektüre verwirrt sein. Entgegen herkömmlichen Leseerwartungen an einen Roman, beginnt Der Geschichtenhändler mit einer über drei Seiten gehenden und aufeinander bezogenen literarischen Referenzliste. Das ist in der Tat irritierend, aber spannend zugleich. Stellt sich doch die Frage, warum lässt der Autor den Geschichtenhändler auf diese Art und Weise beginnen? Will er damit auf seine kulturübergreifende Belesenheit verweisen? Oder will er uns darauf aufmerksam machen, dass über die Beziehungen zwischen Orient und Okzident schon viele Geschichten erzählt und gehandelt wurden, und dass Der Geschichtenhändler nur eine unter vielen Narrativen darstellt?

Darüber muss jede Leserin/jeder Leser selbst ein Urteil bilden. Wenn man sich aber durch die Fülle der Titel und Autor*innen durchgelesen hat, beginnt der Protagonist des Romans, der polnische, in Syrien arbeitende Geophysiker Marek seine Geschichten zu erzählen. Es geht um Alltag und Alltägliches, um Männer und Frauen, um Liebe und Freundschaft, Zugehörigkeit und Fremdheit. Aber vor allem geht es um die im Orient perfektionierte Tradition des Geschichten Erzählens, in der Gewisses und Eindeutiges durcheinandergewirbelt und aufgehoben wird, so dass die Leserin in der Tat "verwirrt und erschöpft" zurückbleibt. Aber im Gegensatz zur Rezensentin der FAZ zählen solche Erfahrungen für mich zum Interessantesten und zum Herausforderndsten, was einem beim Lesen widerfahren kann. Doris Gödl

Klappentext:

Mirek ist ein junger Geophysiker, den es am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts beruflich nach Syrien verschlägt. Doch sein Job ist öde. Fasziniert von der Umgebung, sammelt er sein Geld zusammen und kündigt die Gassuche in der Wüste auf. Von nun an lebt er in Billighotels in Aleppo, Damaskus und dem jordanischen Akaba. Irgendwann stösst er darauf, dass sein polnischer Name auf Arabisch gelesen (also von rechts nach links) Kerim lautet – der Barmherzige. Aber war es nicht Jan, der auf Reisen ging und Mirek und Kerim zu Figuren seines Romans machte?

Der Geschichtenhändler ist in der Form einer Ich-Erzählung verfasst. Doch was heisst das schon, wenn der sagenumwobene Kalif Harun al-Raschid ein Hotelboy ist, und es eine Verlobte nur gibt, damit man etwas zu erzählen hat? Vielleicht ist ja auch die Wahrheit nur eine Geschichte von vielen ... Der Geschichtenhändler liefert Momentaufnahmen aus der Zeit kurz vor den Konflikten, die heute die Region und die Berichterstattung hierzulande dominieren. Als hätte das Schicksal die Romanfiguren zu Nachbarn der Leser gemacht.

Über die Autorin / über den Autor:

Stanisław Strasburger, geboren 1975 in Warschau, ist Schriftsteller und Kulturmanager. Seine Schwerpunkte sind kollektives Bewusstsein, Migration und Multikulturalität. Er leitete bis 2016 das städtische Residenzprogramm "Kunst und Dokument. Köln-Beirut" und war Initiator des Kooperationsvertrages für kulturelle Zusammenarbeit zwischen beiden Städten. Der Geschichtenhändler (Warschau, 2009) ist 2014 im Libanon veröffentlicht worden und erregte in zahlreichen arabischen Ländern grosses Interesse seitens der Leser und Medien. Der Autor spricht sechs Sprachen. Er lebt und arbeitet abwechselnd in Berlin, Warschau und Beirut. Im Frühjahr 2016 erschien im Secession Verlag seine Sachbuchfiktion Besessenheit. Libanon.

Preis: CHF 28.00
Sprache: Deutsch (aus dem Polnischen Simone Falk)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2018
Verlag: Secession Verlag
ISBN: 978-3-906910-08-6
Masse: 280 S.

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