Brüderchen

Brüderchen ist ein ungewöhnliches und stilles Buch, zu einem Thema, das selten Eingang in die Literatur findet. In feinfühliger, schöner Sprache erzählt Clara Dupont-Monod von einer Familie im ländlichen Südfrankreich. Ihr Hof liegt abgelegen im Gebirge der Cevennen. Am Lauf der Dinge scheint sich nie etwas geändert zu haben. Die Geburt eines unangepassten Kindes, so nennt es die Autorin – es kann weder sehen noch sich bewegen –, bringt jedoch das familiäre Gleichgewicht ins Schwanken. Unangepasst, weil nicht das Kind sich an die Familie anpasst, sondern die Familie die Anpassungsleistung vollbringen muss.

Es ist wie die Natur, die Clara Dupont-Monod ebenso intensiv und poetisch beschreibt, wie das Innenleben der drei Geschwister, die in Brüderchen keine Namen tragen, sondern nur die Bezeichnung wie sie zum unangepassten Kind in Beziehung stehen. So heissen die drei Kapitel "Der grosse Bruder", "Die Schwester" und "Der Nachgeborene". Die individuellen Herangehensweisen und Empfindungen werden interessanterweise nicht von den Kindern selbst erzählt, sondern von den Steinen, die eine Mauer um den Hof bilden. Ein gelungener Kunstgriff von Clara Dupont-Monod, der wunderbar funktioniert, nie gekünstelt wirkt. Vielmehr findet sich die/der Leser:in selbst zwischen diesen Steinen wieder. Die Steine berichten wie jedes der Geschwister die Familienkonstellation auf seine Weise erfühlt und meistert. Allen dreien ist aber gemeinsam: Die existenziellen Erfahrungen trennen sie von den anderen Kindern im Dorf und lassen in ihnen eine Einsamkeit zurück, an der sie aber nicht zerbrechen, sondern wachsen. Ein wunderbares und sehr empfehlenwertes Buch. ap

Eines Tages kommt in einer Familie ein Kind zur Welt. Seine schwarzen Augen tanzen, verlieren sich im Ungefähren, ein verletzliches Wesen, das nie laufen lernen wird. Alle Liebe, alle Zeit gilt von nun an diesem ewigen Kind. Wie leben die Geschwister in seinem Schatten?

Clara Dupont-Monod erzählt von einer Familie, die selbst im Schmerz noch Zuneigung und Frieden findet, Verbundenheit und Zuversicht. Brüderchen ist ein Roman voll existenzieller Kraft und karger Schönheit, so majestätisch wie die Berge der Cevennen, die diese Familie schützend umgeben.

Clara Dupont-Monod, geboren 1973 in Paris, ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie war u.a. für die Radiosender France Culture und Canal+ tätig, bevor sie 2011 zu France Inter wechselte. Dort hat sie seit vielen Jahren eine eigene Literatursendung. Mit Brüderchen veröffentlichte sie ihren bisher persönlichsten Roman, der über Monate auf den französischen Bestsellerlisten stand. Neben dem Prix Femina erhielt Dupont-Monod für Brüderchen den Prix Goncourt des Lycéens.