Esther Kinsky

Rombo

Ein grossartiges Buch für diejenigen, die sich für die Region Friaul-Julisch Venetien interessieren. Der sorgfältig komponierte Roman Rombo – das ist die italienische Bezeichnung für das tiefe Grollen, das einem Erdbeben vorausgeht – besteht aus sieben thematischen Kapiteln, in welchem jeweils sieben Stimmen, Zeug:innen des verheerenden Erdbebens von 1976, eingeführt werden. Diese erinnern sich nach einem Viertel Jahrhundert, beschreiben und reflektieren die Konsequenzen des Erdbebens. Diese Persönlichkeiten werden mit jedem Kapitel greifbarer. Schicht um Schicht werden auch die Verbindungen untereinander freigelegt. Nicht nur Erdmassen, sondern auch Biografien wurden verschoben. Migration hatte das Friaul stets geprägt, und mit dem Erdbeben von 1976 müssen die Menschen erneut ihre Heimat verlassen, sei es auch nur, um sich in Notunterkünften an der Adria, weg von ihren Bergen, niederzulassen. Begleitet werden die Erzählungen von Zitaten und Legenden.

Es ist ein reiches Buch, inhaltlich, aber auch sprachlich. Wir befinden uns in der Slavia Italiana. Jugoslawien, dann Slowenien, ist gleich über dem Berg und die Sprachen einander ähnlich. Es ist offenkundig, die Geologie und die Sprache halten sich nicht an die Grenzen der Nation. Rombo ist auch für all diejenige ein grosser Genuss, die sich für Sprache an sich interessieren. Esther Kinsky thematisiert vielschichtig das Sprechen über die Natur und ihre Vermenschlichung, zeigt aber auch ihre poetische Seite auf, sei es in der Fach- oder Alltagssprache. ap

Klappentext:

Im Mai und im September 1976 erschüttern zwei schwere Erdbeben eine Landschaft und ihre Bevölkerung im nordöstlichen Italien. An die tausend Menschen sterben unter den Trümmern, Zehntausende sind ohne Obdach, viele werden ihre Heimat, das Friaul, für immer verlassen. Die Materialverschiebungen infolge der Beben sind gewaltig, sie bilden neues Gelände, an dem sich die Wucht des Eingriffs ablesen und in die Begriffe der Naturkunde fassen lässt. Doch für das menschliche Trauma, für die Erfahrung der plötzlich zersprengten Existenz, lässt sich die Sprache nicht so einfach finden.

In Esther Kinskys neuem, noch vor Erscheinen preisgekröntem Roman berichten sieben Bewohner eines abgelegenen Bergdorfs, Männer und Frauen, von ihrem Leben, in dem das Erdbeben tiefe Spuren hinterlassen hat, die sie langsam zu benennen lernen. Von der gemeinsamen Erfahrung von Angst und Verlust spleissen sich bald die Fäden individueller Erinnerung ab und werden zu eindringlichen und berührenden Erzählungen tiefer, älterer Versehrung.

Über die Autorin / über den Autor:

Esther Kinsky wurde in Engelskirchen geboren und wuchs im Rheinland auf. Für ihr umfangreiches Werk, das Lyrik, Essays und Erzählprosa ebenso umfasst wie Übersetzungen aus dem Polnischen, Russischen und Englischen, wurde sie mit zahlreichen namhaften Preisen ausgezeichnet. 2020 erhielt sie für einen Auszug aus Rombo den erstmals vergebenen W.-G.-Sebald-Literaturpreis.

Preis: CHF 18.50
Sprache: Deutsch
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2023 (2022)
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-47311-5
Masse: 268 S.

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