Frühere Themenschwerpunkte

Flucht und Migration

Flucht und Migration sind keine neuen Erscheinungen. Der Mittelmeerraum war schon immer ein Raum, in dem Menschen sich bewegen, innerhalb eines Landes oder zwischen zwei Ländern, oder gar mehrere Länder inklusive des Mittelmeeres durchqueren. Dieses historische Wissen findet jedoch nicht immer Eingang in die öffentlichen Debatten und, wenn doch, gerne verkürzt. Die damit verbundenen Ängste und Betroffenheiten werden allzu oft für Eigeninteressen missbraucht und ideologisch vereinnahmt. Wir möchten Sie deshalb mit diesem Schwerpunkt, der für einmal nicht ein Land oder eine Region in den Fokus nimmt, einladen, sich diesen Bewegungen auf vielfältige Weise zu nähern und dabei neue Fragestellungen und Antworten zu entdecken.

Unterwegs

   

Unsere Buchtipps zu Migration und Flucht

Einen ausgezeichneten Einstieg in das Thema Migration im europäischen Raum vermittelt Sylvia Hahn in ihrer spannenden und gut verständlichen Einführung Historische Migrationsforschung. Sie veranschaulicht die Geschichte der globalen Zu- und Abwanderung, der Verfolgung und Vertreibung mit interessanten Beispielen vom Mittelalter bis heute. Eine zwar nicht ausdrücklich als Migrationsgeschichte deklarierte Lektüre, jedoch eine, die detailliert das Hintergrundwissen zum sogenannten mare nostrum liefert, ist die Geschichte der Kulturen rund ums Mittelmeer von David Abulafia: Das Mittelmeer. Eine Biographie.Angefangen bei 22'000 v. Chr. erzählt das umfangreiche Werk von der damaligen verbindenden Funktion des Mittelmeeres. Ein sehr aufschlussreiches Bändchen, das die Ursachen von menschlichen Bewegungen im Mittelmeerraum aufzeigt, ist Hans-Christian Riechers: Europas letzte Festungen. Reise nach Ceuta und Melilla. Riechers schlägt den Bogen von 1415 bis heute und erzählt von meist unbekannten, aber einschneidenden Ereignissen in diesen beiden Städten, die seit dem 15. Jahrhundert als Bastionen vor dem europäischen Kontinent bestehen. In Die Verlorene Spur – La huella perdida erforscht Adela Picon fotographisch diese von Kolonialismus und Abgrenzung geprägten Städten. Beide Werke zeigen auf, wie Ereignisse der Vergangenheit in der Gegenwart weiterwirken. Möchte mensch sich noch weiter in den Umgang mit Territorialität und Bewegungsfreiheit in der Vergangenheit vertiefen, empfiehlt sich sehr, Mediterrane Urbanität von Christian Reder zu lesen. Sein Blick auf die Geschichte zeigt eindrücklich, welch verheerende Folgen die Ablehnung der "Fremden" jeweils auf die sich abschottende Gemeinschaft hatte, die zuvor Perioden vitaler Vielfalt im Zusammenleber verschiedener Kulturen durchlebt hatte. 

Exemplarisch für die unzähligen Katastrophen im Mittelmeerraum, die Menschen zur Flucht gezwungen hatten, richten wir den Blick auf die heutige Türkei. Im packenden historischen Roman Spiegel der Stadt widmet sich Elif Shafak der Vertreibung der Jüd:innen im 15. Jahrhundert aus Spanien und hebt dabei hervor, wie die Vertriebenen in Venedig und im osmanischen Istanbul willkommen geheissen wurden. Im sorgfältig zusammengestellten Bild-Text Essay Hidden Istanbul von Francoise Caraco folgen wir den Spuren der sephardischen Juden und Jüdinnen im heutigen Istanbul. In Ni kaza en Turkiya erzählen sechs sephardische Autor:innen von den verschiedenen Facetten sephardischen Lebens im heutigen Istanbul, geprägt von Verbannung, Flucht und Exil. Der autofiktionale Roman Gleissendes Licht von Marc Sinan zeigt eindrücklich, wie der Genozid von 1915/1916 an den Armenier:innen noch heute zerstörerisch in die Gegenwart einbrechen kann. Hier kann auch die sogenannte Kleinasiatische Katastrophe nicht unerwähnt bleiben, die Vertreibung von Griech:innen aus der Türkei und umgekehrt: von Türk:innen aus Griechenland. Dieser Bevölkerungsaustausch wurde 1923 im "Vertrag von Lausanne" vereinbart. Ob eine Person als Griech:in oder Türk:in galt, hing von der Religionszugehörigkeit ab. Maria Topali macht für die Lesenden in Die Wurzeln lang ziehen fassbar, welche Auswirkungen dieses Schicksal auf die Nachkommen hatte und welche Bedeutung die damals Geflüchteten für das heutige Griechenland haben. So bereicherten sie unter vielem anderen die Musik Griechenlands. Von den aus Kleinasien stammenden Flüchtlingen stammt der Rembetiko, der sich zu einer der populärsten Musikformen Griechenlands entwickelte. Die Graphic Novel Rébétiko (La mauvaise herbe) von David Prudhomme berichtet von dieser Musik und den Menschen, die sie gespielt haben.

Die Vernichtung und Vertreibung der Jüd:innen durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg war eine weitere Katastrophe, die auch in der Türkei ihren Niederschlag gefunden hatte. So wurden zahlreiche Wissenschaftler:innen aus Deutschland in die Türkei eingeladen und unterrichteten an den dortigen Universitäten. Mathias Göritz erzählt in Die Sprache der Sonne von diesen Jahren. Viele verfolgte Jüd:innen machten sich auf den Weg nach Palästina. In Transit Istanbul Palästina erfahren wir von Reiner Möckelmann detailliert über das vorwiegend geheime, informelle Netzwerk, das ab 1941 von Istanbul aus Jüd:innen aus Südosteuropa zur Flucht nach Palästina verhalfen. Zülfü Livaneli hat in Serenade für Nadja den Flüchtenden auf dem Schiff Struma, das 1942 vor der türkischen Küste versenkt worden ist, ein literarisches Denkmal gesetzt. Seither haben die Fluchtbewegungen nicht aufgehört, sei es aus Kurdistan, aus Syrien, Afghanistan, Pakistan … und die Türkei ist zur Grenzwächterin Europas geworden.

Migration hat auch ihre Spuren in der Schweiz. Vor allem seit den fünfziger und sechziger Jahren wandelte sich die Schweiz vom früheren Auswanderungsland in ein Land, das Menschen als billige Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben begann. Wie es den italienischen Arbeiter:innen erging, die damals in die Schweiz kamen, zeigen eindrücklich die Texte von Rosanna Ambrosi in Tra due culture – Zwischen zwei Kulturen. Die Portraits in Der Schwarzenbacheffekt von Francesca Falk und die Autobiografie Jagt sie weg! von Concetto Vecchio widmen sich ebenfalls diesem Thema. Manche Nachkommen dieser Arbeiter:innen werden später Autor:innen und Regisseur:innen. Einige davon nehmen sich vor, das Leben ihrer Eltern zu reflektieren und zu beschreiben, aber auch das eigene. So zum Beispiel Paolo Polini, der im Film Viaggio a Misterbianco ein filmisches Tagebuch einer Winterreise durch ein anderes Italien präsentiert, gefilmt von einem Italiener, der Italien nicht kennt. Auch die Protagonistin Seka, im Roman Für Seka von Mina Hava, wächst in der Schweiz auf und blickt aus dieser Perspektive Richtung Herkunftsland ihrer Eltern, in ihrem Fall ist das Bosnien. Sie tut dies aus einer postmigrantischen Perspektive heraus wie auch Ivna Žic, die in Die Nachkommende eine Familiengeschichte erzählt, die vom Auswandern der Eltern kurz vor dem Krieg in Kroatien in die Schweiz geprägt ist.

Heute ist die zeitgenössische Literatur stark von einem migrantischen Blick geprägt. Menschen der ersten und zweiten Generation, die von den Fluchterfahrungen, den Schwierigkeiten am Ankunftsort Fuss zu fassen erzählen. Um nur eine kleine Auswahl zu erwähnen: In Unentbehrliches Handbuch zum Umgang mit Grenzen verwebt Gazmend Kapllani auf  grandiose Weise seine persönliche Geschichte in Albanien mit einem generellen Nachdenken über das Dasein als Migrant. Emine Sevgi Özdamar hebt in ihrem Roman Ein von Schatten begrenzter Raum hervor: "Wenn man von seinem eigenen Land einmal weggegangen ist, dann kommt man in keinem neuen Land mehr an. Dann werden nur manche besonderen Menschen dein Land." Sie schildert auf faszinierende Weise, wie durch die Kombination von Kunst und Leben Fremdsein, Ankommen und Einsamkeit beschrieben und dadurch bewältigt werden können. In Dschinns zeigt Fatma Aydemir aus dem Blickwinkel der Familie Yilmaz die vielen verschiedenen Facetten eines Lebens zwischen zwei Heimaten.

Bevor Flüchtende aber ankommen, sind sie zunächst auf einem beschwerlichen Weg. Um vor Krieg, Vertreibung, fehlenden Perspektiven oder Verfolgung zu fliehen, müssen sie oft einen lebensgefährlichen Weg auf sich nehmen, sei es, dass sie in einem nicht seesicheren Boot über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen, sei es, dass sie über Land mehrere Länder durchqueren bzw. Grenzen passieren müssen. Ein ausgezeichneter Film zum Thema Seenot(rettung) ist Styx; ein stiller Film, in dem es um das im Erleben und Handeln sich erschliessende, wesenhafte menschliche Dasein geht. In Namen statt Nummern von Cristina Cattaneo steht die Identifizierung der Opfer der grossen Schiffsunglücke vor Lampedusa von 2013 und 2015 im Zentrum. Sie beschreibt diese mit viel Empathie und fern jeglicher soziopolitischen Aufregung. Amori. Die Inseln von Johanna Lier ist ein dokumentarischer Bericht, der mit literarischen Mitteln die grösstmögliche Nähe zu den Beteiligten sucht und neun Männer und Frauen aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos, Geflüchtete und Aktivist:innen, erzählen lässt, was es braucht, um dort zu überleben. In Die Insel erzählt Franziska Grillmeier engagiert und empathisch ebenfalls davon, wie seit 2015 und insbesondere seit 2020 – im Schatten der Corona-Pandemie – in den Lagern von Moria mit den geflüchteten Menschen umgegangen wird. Ebenso unter die Haut geht Meine Worte brechen eure Grenzen von Parwana Amiri, einer jungen Frau, die 2018 mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen war und auf ihrer Odyssee im Herbst 2019 im Lager Moria auf Lesbos strandete. Das Bändchen beinhaltet Briefe an die Welt, die insbesondere die untragbare Situation für Frauen auf der Flucht hervorhebt. Eine gut lesbare Dokumentation zu der Organisation von Flucht, darüber wie Schlepper- und Menschenhändlerringe funktionieren und welche Rolle soziale Medien dabei spielen, ist das Sachbuch Die von Europa träumen von Melita H. Šunjić. Auf eindrückliche Weise hat der Eritreer Haji Jabir das Thema Flucht in Black Foam beschrieben. Er zeigt, wie die geflüchteten Menschen ihre eigene Identität zurücklassen müssen und zu dem "schwarzen Schaum" werden, zu einer neuen Kategorie Mensch: den Flüchtlingen. Abu Bakr Khaal verarbeitet in African Titanics seine eigene Flucht übers Mittelmeer auf äusserst poetische Weise. Bei ihm sind die Flüchtenden die Akteure, ein wichtiger Perspektivenwechsel. Mascha Gessen macht in Leben mit Exil. Über Migration sprechen auf die verschiedenen Aspekte des Schreibens über Geflüchtete aufmerksam und denkt darüber nach, welche Rolle Journalist:innen haben, wenn es darum geht, über Migration und Migrant:innen zu berichten, zu sprechen, zu schreiben. Inspirierend ist die literarische Verarbeitung dieses Themas durch Noor Naaga. Sie setzt sich in If an Egyptian Cannot Speak English mit der Frage auseinander, wer über andere sprechen kann, bzw. darf. In Romanform konfrontiert sie die Lesenden mit der verhängnisvollen Begegnung zwischen einer privilegierten Rückkehrerin und einem zwar ebenso suchenden, aber nicht privilegierten Menschen.

Doch für sehr viele beendet die Ankunft in einem sicheren Land nicht ihr Leiden. Das gilt auch für die Menschen, die in der Schweiz ankommen. Auf der einen Seite ist da die Asylpolitik bzw. die Handhabung des Asylrechts und auf der anderen Seite, wie die Gesellschaft auf die Angekommenen reagiert. Allzu oft stossen die Menschen auf Widerstand und Unverständnis, tief verwurzelte Stereotypen werden bewusst oder unbewusst reproduziert. Diese Haltung kann von Nichtwahrnehmen über versteckte bis offene Ablehnung und Gewaltanwendung gehen – wie dies die Publikation Status F aufzeigt. Wie es drei jungen Menschen, die in einem Heim für unbegleitete junge Flüchtlinge in Genf leben, ergeht, erfahren wir in der Graphic Novel Allein in der Fremde. Auch In der Fremde sprechen die Bäume arabisch führt uns Usama Al Shahmani vor Augen, wie ambivalent der Begriff Heimat ist. Insbesondere die Fremdheit in der Schweiz, die fehlende emotionale Geborgenheit, die ein "Heimatland" im Sinne einer Sprache, einer Familie geben kann, werden in diesem Roman ergreifend beschrieben. Immer wieder taucht die zentrale Rolle der Sprache auf, wenn es darum geht in einer neuen Gesellschaft anzukommen. Ein tolles Beispiel für den möglichen vielstimmigen literarischen, kulturellen und menschlichen Austausch ist die Hör-CD Weiter schreiben – (W)Ortwechseln, die literarische Begegnungen mit Exil-Autor:innen enthält. Mit dem Gedichtband Buch von Glück ist es Dragica Rajčić gelungen, in dem gebrochenen, schillernden Deutsch die Fremdheit sprachlich zu unterstreichen. In ihrem Essayband Wahrscheinliche Herkünfte geht Ivna Žic dem kreativen Potenzial der Vielsprachigkeit nach.

In Anbetracht all dieses Leids und Ungerechtigkeiten, ist es wichtig, die Möglichkeit des Handelns nicht aus den Augen zu verlieren. In Ändere deine Welt schildert Cédric Herrou, wie er als unpolitischer Mensch seinem Gewissen folgt und in Zusammenarbeit mit solidarischen Rechtsanwält:innen und Freiwilligen geflüchteten Menschen hilft. Ein weiteres Beispiel gibt Mimmo Lucano in Dorf des Willkommens, wo er aufzeigt wie die Asylpolitik auf Gemeindeebene angegangen werden könnte. Die Willkommensgesellschaft, eine Sammlung von Reportagen (ab 2021) über Zeugnisse von solidarischen Praktiken der Zivilgesellschaft, erlaubt es, Migrierende und Flüchtende als Subjekte ihrer eigenen Geschichte wahrzunehmen. Zudem gibt es auch zahlreiche spannende Ideen und Texte darüber, wie ein Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kontexten aussehen könnte. So schreibt Volker M. Heins in Offene Grenzen für alle vom kreativen Potenzial der Menschen in Bewegung und weitet den Begriff auf die vielfältige Gesellschaft aus. Und im luziden Text von Donatella Di Cesare Philosophie der Migration wird in jedem Migranten die Figur des "Ansässigen Fremden" erkennbar gemacht und zeigt dabei die Möglichkeiten auf, das Zusammenwohnen neu zu denken. Auch Erol Yildiz und Wolfgang Meixner denken in ihrem Essayband Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft über das heimisch Werden nach und zeigen auf, dass Heimat teilbar und mehrheimisch Sein möglich ist. Eure Heimat ist unser Albtraum, herausgegeben von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah, ist ein Manifest gegen Heimat – als völkisch verklärtes Konzept –, gegen dessen Normalisierung sich vierzehn deutschsprachige Autor:innen wehren. Romane wie Identitti von Mithu Sanyal und Kolumnen wie Werden sie uns mit FlixBus deportieren? von Mely Kiyak zeigen, wie selbstironisch, klug und frech zugleich Autor:innen mit den Ausgrenzungen literarisch umgehen. Ein auch sehr treffender Essayband zu diesen Themen ist Postmigrant Turn. Rahel Cramer, Jara Schmidt und Jule Thiemann geht es darum, einen Beitrag zur (An-)Erkennung von strukturellem und institutionellem Rassismus zu leisten und Diskurshoheiten einer weissen Dominanzgesellschaft zu hinterfragen. Ein weiterer interessanter Beitrag dazu ist Diversität der Ausbeutung, herausgegeben von Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbo. Das Buch liest sich als Kritik am herrschenden liberalen Antirassismus, der sich darauf konzentriert, moralische Kritik an Individuen zu üben und dabei die Gesellschaftskritik aus dem Blick verliert.

Hier finden Sie noch weitere Empfehlungen von uns zu Büchern zu Migration und Flucht:

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    Vincenzo Todisco
    Das Eidechsenkind

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    Najem Wali
    Die Balkanroute
    Mit Fotografien von Goran Potkonjak
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    Velibor Čolić
    Die Welt ist ein grosser Flipper
    Der Ich-Erzähler ist 1992 aus Bosnien nach Frankreich geflüchtet. Seine Ankunft in diesem Land, dessen Sprache er nicht spricht, und die...
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    Enis Maci
    Eiscafé Europa
    Von Feminismus, über die populistischen Bewegungen, zu den identitären Strömungen bis zu Möglichkeiten des Widerstandes unter totalitären...
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  • slide 5
    Behzad Karim Khani
    Hund, Wolf, Schakal

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  • slide 6
    André Aciman (Hrsg.)
    Letters of Transit - Reflections on Exile, Identity, Language, and Loss
    Fünf Autoren und Autorinnen schreiben über ihre eigenen Erfahrungen, wie sie das Ankommen in einer neuen Umgebung durchlebt und angegange...
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  • slide 7
    Velibor Čolić
    Manuel d'exil
    Der Ich-Erzähler ist 1992 aus Bosnien nach Frankreich geflüchtet. Seine Ankunft in diesem Land, dessen Sprache er nicht spricht, und die...
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  • slide 8
    Christoph Miler
    Nowhere Men
    Ein sehr schön gemachtes, gut designtes Buch, das die archetypischen Geschichten von sechs Personen, die aus verschiedenen Teilen der Wel...
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  • slide 9
    Ömer Alkın, Lena Geuer (Hrsg.)
    Postkolonialismus und Postmigration

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  • slide 10
    Christian Ritter
    Postmigrantische Balkanbilder
    Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag
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  • slide 11
    Meral Kureyshi
    Elefanten im Garten

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  • slide 12
    Melinda Nadj Abonji
    Tauben fliegen auf
    Über den Verlust der Heimat
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  • slide 13
    Najat El Hachmi
    Eine fremde Tochter
    Stilsicher und temporeich führt uns Najat El Hachmi durch den autobiografisch gefärbten Roman. Eine fremde Tochter ist ein über...
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  • slide 14
    Christa Schuenke, Brigitte Struzyk (Hrsg.)
    Fremde Heimat. Texte aus dem Exil
    Ein vom PEN-Zentrum Deutschland in Auftrag gegebener Band, der Beiträge von Autoren und Autorinnen, die mit einem PEN-Stipendium in Deuts...
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  • slide 15
    Xavier-Marie Bonnot
    Les vagues reviennent toujours au rivage
    Als der pensionierte Michel De Palma, früher in der Mordkommission von Marseille tätig, vom Selbstmord seiner früheren Geliebten Thalia G...
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  • slide 16
    Usama Al Shahmani
    Im Fallen lernt die Feder fliegen
    In diesem sehr dichten Roman führt uns Usama Al Shahmani vor Augen, wie ambivalent der Begriff Heimat ist. Erzählt wird die Geschichte au...
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  • slide 17
    Nagar Djavadi
    Desorientale
    Die Ich-Erzählerin, Kimiâ Sadr, sitzt im Warteraum einer Kinderwunschklinik und nutzt die Wartezeit dazu, uns ihre Geschichte zu erzählen...
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  • slide 18
    Andrej E. Skubic
    Spiele ohne Grenzen
    Der Roman spielt in einer undefinierten, theoretisch sehr nahen Zukunft, in der die Flüchtlingspolitik ausschliesslich auf die ökonomisch...
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  • slide 19
    Olga Grjasnowa
    Gott ist nicht schüchtern
    Ein zutiefst menschlicher Text, in dem Olga Grjasnowa versucht, den Menschen, die hinter dem Begriff "Flüchtlinge" stecken, ih...
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  • slide 20
    Wolfgang Bauer
    Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa.
    Wolfgang Bauer, ein Journalist, begleitet gemeinsam mit dem Fotografen Stanislav Krupar, inkognito eine Gruppe von Syrern auf ihrem Versu...
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  • slide 21
    Navid Kermani
    Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa
    Kermani hat die Orte, die heute tagtäglich in den Medien auftauchen besucht, zusammen mit dem Photographen Moises Saman, der den Text mit...
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  • slide 22
    Stéphanie Coste
    Le passeur
    2015, an der Küste Libyens. Seyoum, ein Erithreer, ist ein Schlepper, der mächtigste an der Küste, der sein Geschäft auf der Hoffnung der...
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  • slide 23
    Hisham Matar
    Die Rückkehr
    Nach der Revolution gegen Gaddafi, die 2011 begonnen hat, gab es 2012 ein kurzes Zeitfenster, als eine Zukunft in Libyen denkbar war. Die...
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Algerien

Algerien hat eine unglaublich reiche Geschichte und Kultur. Geographisch gar nicht so weit entfernt scheint das Land doch in einer anderen Welt zu liegen. Wir laden mit diesem Themenschwerpunkt dazu ein, Algerien, seine Geschichte und vor allem seinen beschwerlichen Kampf in die Unabhängigkeit kennenzulernen. Während des Arabischen Frühlings sind die Menschen hier ruhig geblieben – zu nahe waren noch die Erinnerungen an das Schwarze Jahrzehnt. Aber seit dem Februar 2019 setzen sich auch die Algerier*innen zur Wehr gegen eine korrupte und verkrustete Politik ohne Perspektiven.

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Hafen von Algier © Andrea Peterhans

Unser Gast aus Algier

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Maya Ouabadi ist 1988 in Algier geboren, wo sie heute noch lebt und arbeitet. Nach dem Studium der französischen Literatur hat sie sechs Jahre für den Verlag Barzakh gearbeitet, bevor sie sich als Verlegerin selbstständig machte. Schon seit ihrer Zeit bei Barzakh ist sie Teil des Kulturvereines Chrysalide und des Organisationskomitees für den Auftakt der Literatursaison in Mali. 2018 hat sie die Editions Motifs gegründet, die unter anderem die zweisprachige (französisch-arabisch) Literaturzeitschrift "Fassl" veröffentlichen, die Textkritiken, Gespräche und Porträts von algerischen und ausländischen Autor*innen, ebenso wie unveröffentlichte Texte, vorlegt.

Hier geht es zu ihren Beiträgen.


Unsere Buchtipps zu Algerien

Als die Phönizier um 1250 v. Chr. die Nordküste Afrikas besiedelten, trafen sie auf die Imazighen, die freien Menschen, wie sich die in der Region lebenden Berber selber nannten. Die berberische Bevölkerung teilte sich in ganz unterschiedliche, auf Clanzugehörigkeit basierende Gemeinschaften auf, Nomaden, sesshafte Bauern, mit unterschiedlichen Traditionen und Sprachen. Unter den numidischen Königen begannen sie mit den Phöniziern Handel zu treiben. Ein Fenster zur damaligen Welt öffnen Boualem Sansal in Maghreb – eine kleine Weltgeschichte und Barnaby Rogerson in In Search of Ancient North Africa. Rogerson beschreibt anschaulich das Leben in den phönizischen Städten, wie sich die Römer mit Hilfe des Numiderkönigs Massinissa gegen die Phönizier behaupten konnten, wie Numidien schliesslich als römische Provinz dem Imperium einverleibt wurde und wie Augustinus in Nordafrika die römisch-katholische Kirche geprägt hat. 534 n.Chr. übernahm Byzanz die Herrschaft über das nordafrikanische Küstengebiet.

Im 8. Jh. eroberten die Omayaden aus Arabien die nordafrikanischen Gebiete und führten den Islam ein. Mit Unterstützung der Berberkönige eroberten sie weite Teile der iberischen Halbinsel und begründeten die Hochkultur der andalusischen Königreiche, mit prachtvollen Bauten und Universitäten. Nach dem Zusammenbruch des Omayadenreiches um 750 n.Chr. folgten die schiitischen Fatimiden, die eine Arabisierung der nordafrikanischen Küstengebiete eingeleitet haben. Diese wiederum wurden von den muslimischen Berber-Dynastien der Almoraviden und der Almohaden abgelöst. Nach dem Zerfall des Almohadenreiches im 13. Jh. entstanden drei getrennte Königreiche, unter denen die Berber und die Araber in relativer Stabilität und gegenseitiger Toleranz zusammenlebten. Es war eine Zeit der kulturellen Blüte, Handel wurde mit Pisa, Genua und der Provence getrieben. Im 15. Jh. wurde die Reconquista des arabischen Andalusiens durch die katholischen Könige mit dem Fall Granadas abgeschlossen. Während der Reconquista wurden die muslimischen und jüdischen Menschen aus Spanien vertrieben und viele wanderten nach Marokko und Westalgerien aus.

Seit dem frühen 16. Jh. begann die Herrschaft der Osmanen in Nordafrika, das für 300 Jahre ein Teil des osmanischen Reiches wurde und seine Haupteinnahmen aus dem Sklavenhandel bezog. Der Sultan von Konstantinopel setzte Paschas ein, von 1659-1830 regierten gewählte Deys, Kommandanten der Janitscharen-Truppen. In dieser Zeit waren die Berber im Inneren des Landes praktisch selbstständig. Waciny Laredj beschreibt im Roman La maison andalouse anschaulich die Geschichte einer Familie nach der Vertreibung aus Andalusien unter der Herrschaft der Osmanen. Und in seinem sehr spannenden Essay Algérie, la nation entravée analysiert Mohamad Sadoun die Art der Beziehungen zwischen den Berbern und den osmanischen Besetzern.

1830 fiel Frankreich in das von 3 Mio. Menschen besiedelte Algerien ein. Die Siedler, zu Beginn vor allem aus Italien und Spanien, liessen sich auf den besten Ländereien nieder, Algier, Oran und Constantine wurden per Gesetz dem französischen Mutterland zugeschlagen. 1832 erhoben sich die Algerier erfolgreich unter der Führung von Abd el Kader gegen die Franzosen. Die in der Folge abgeschlossenen Friedensverträge wurden bald wieder von Frankreich n gebrochen, und der Krieg gegen Algerien wurde neu entfacht – und zwar um jeden Preis. In L'amour, la fantasia beschreibt Assia Djebar in einer Art Auto-Fiktion die Ankunft der Franzosen in Algerien, das 1847 ganz unter französische Kontrolle geriet. 1848 lebten hier bereits 100'000 europäische Zivilisten. Wie sich das Leben der Berber in den ländlichen Regionen durch die neuen Siedler verschlechterte und wie die Einheimischen unausweichlich in die Armut getrieben wurde, zeigt Mohamed Dib eindrücklich im Roman L'incendie. Ebenfalls einen spannenden Blick auf die Kolonialgeschichte wirft der in Algerien geborene Jacques Ferrandez in den ersten fünf Bänden seiner Graphic Novel Carnets d’Orients.

Die muslimischen Algerier wurden von Frankreich quasi entmündigt. Wahl- und Bürgerrechte hatten nur die europäischen Siedler und, aufgrund des 1870 erlassenen Décret Crémieux, die jüdischen Algerier. Das Schicksal der meist sephardischen jüdischen Gemeinschaften beschreibt der Historiker Benjamin Stora in Les trois exils. Juifs d’Algérie eindrücklich. In Valérie Zenattis Roman Jacob, Jacob begegnen wir einer jüdischen Familie in Constantine vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Kaouther Adimi hat der Buchhandlung "Nos richesses", gegründet von Edouard Charlot in den 30/40er Jahren in Algier, und dem Versuch, einen Austausch auf Augenhöhe zwischen Algeriern und Franzosen zu fördern, mit Was uns kostbar ist ein Denkmal gesetzt. Seit Beginn des 20. Jh. haben sich verschiedene algerische Bewegungen und Parteien für die Besserstellung der muslimischen Bevölkerung eingesetzt. Doch die sozialen Unterschiede zwischen ihr und den europäischen Siedlern wurden immer eklatanter und nach dem Ende des 2. Weltkrieges kam es zu Unruhen in Sétif, die auf brutale Weise von den französischen Streitkräften niedergeschlagen wurden.

1954 begann der Front National de la Libération (FLN) den bewaffneten Kampf gegen die Franzosen, der in einen äusserst gewaltsam geführten Unabhängigkeitskrieg mündete, mit Bombenanschlägen und Attentaten und auf der einen und mit Repression und Folter auf der anderen Seite. 1962 fand er mit der Unterzeichnung der Verträge von Evian ein Ende. Mohamed Dib beschreibt den Unabhängigkeitskrieg in seinem phantastischen Roman Und ich erinnere mich an das Meer. Malika Mokeddem führt uns in Die blauen Menschen zu einer sesshaft gewordenen Nomadin, die durch die Kolonialisierung ihre Traditionen verloren hat. Dieser lesenswerte Roman thematisiert auch die Stellung der Frau, der zwar während des Unabhängigkeitskampfes viele Rechte zugestanden wurden, diese ihr im unabhängigen Staat aber gleich wieder aberkannt wurden. Auch die Graphic Novel von Swann Merally, Algériennes, stellt die Frauen während des Unabhängigkeitskampfes in den Mittelpunkt. Der sehenswerte Film von Gillo Pontecorvo, La bataille d'Alger, zeigt die Jahre 1955/56, als der FLN Bombenanschläge auf französische Einrichtungen und Zivilisten in Algier verübte und wie daraufhin französische Fallschirmjäger den Kampf gegen den FLN in der Kasbah von Algier aufnahmen.

Auch die Algerienfranzosen wehrten sich erbittert, und zwar für ein französisches Algerien. Mit ihrer Organisation de l'Armée secrète (OAS), mit Aktionen wie der Woche der Barrikaden und einem Putsch in Algier, versuchten sie, die Unabhängigkeit Algeriens zu verhindern. Vor diesem Hintergrund spielt der Krimi von Maurice Attia, Alger la Noire. Es gab auch linke Algerienfranzosen, wie Fernand Iveton, der auf Seiten des FLN kämpfte und vom französischen Staat zum Tode verurteilt worden ist. Joseph Andras zeichnet sein Leben im Roman Die Wunden unserer Brüder nach. Nach der Unabhängigkeit von Algerien haben fast alle der ca. 1,4 Mio. europäischstämmigen Franzosen das Land verlassen. Als pieds-noirs gelangten sie nach Frankreich, wo sie aber kaum Unterstützung erhielten, ja sogar verachtet wurden. Alexis Jenni bringt uns im Roman Féroces infirmes auch die Erfahrungen und Verletzungen der im Unabhängigkeitskrieg kämpfenden französischen Soldaten näher.

Im unabhängigen Algerien wurden die Harkis, die vor allem in den Hilfstruppen gedient hatten und als Kollaborateure galten, Opfer von Gewalt. De Gaulle persönlich lehnte es ab, ihnen zu helfen. Trotzdem gelang 100’000-260'000 Menschen die Flucht nach Frankreich. Aber bis zu 50'000 Harkis verloren in Algerien ihr Leben. In Die Kunst zu verlieren erschafft Alice Zeniter ein faszinierendes Familienporträt vom Grossvater, der mit seiner Familie als Harki aus Algerien flieht, über ihre Internierung in Lagern in Frankreich, bis zur Rückkehr der Enkelin nach Algerien. Kamel Daoud formuliert in seinem herausragenden Buch, Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung, einerseits eine Antwort auf Albert Camus' Der Fremde, andererseits auch auf das Verhältnis zwischen Algeriern und Franzosen.

Ahmed Ben Bella, Mitbegründer der FLN und von 1956-1962 in Frankreich inhaftiert, wurde 1963 der erste Staatspräsident von Algerien. Seine Vision war ein sozialistisches Algerien, mit einer Agrarreform, der Verstaatlichung der Produktionsmittel und einer Rückkehr zu arabischen und islamischen Werten. 1965 wurde er von Houari Boumedienne, seinem Verteidigungsminister und FLN-Kommandant während des Krieges, gestürzt. Boumedienne hat die Industrialisierung des Landes weiter vorangetrieben und gilt als Schöpfer des modernen Algeriens. Welch revolutionärer Geist und welche Aufbruchsstimmung in Algier in den 60er und 70er Jahren geherrscht haben, beschreibt Elaine Mokhtefi, die als Amerikanerin und Sozialistin nach Algier kam, in Algiers, Third World Capital. Boumediennes Nachfolger, Chadli Benjedid, ebenfalls aus dem Militär hervorgegangen, sah sich zunehmenden Problemen gegenüber, wie hoher Arbeitslosigkeit und genereller Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Nach schweren Ausschreitungen 1988 leitete er eine Demokratisierung der Gesellschaft und eine Entmachtung des FLN-Parteiapparates ein. Tahar Djaout widerspiegelt in seinem sehr lesenswerten Roman, Les vigiles, den Zustand einer Gesellschaft, die sich selber blockiert hat. Mit der Demokratisierung etablierten sich verschiedene Oppositionsgruppen, darunter auch der Front Islamique du Salut (FIS), der sich für eine Arabisierung des Landes und die Einführung islamischer Gesetze einsetzte. Der FIS gewann 1991 die ersten freien Wahlen, aber das Militär zwang Benjedid zum Rücktritt, erklärte die Wahlen für ungültig und verbot den FIS. Das markierte den Beginn des Bürgerkrieges, der als das Schwarze Jahrzehnt bezeichnet wird. 1991 bis 2002 war geprägt vom Terror fundamentalistischer Gruppen und der brutalen Antwort des Militärs. Die wirtschaftliche Entwicklung kam völlig zum Erliegen. Sprachgewaltig beschreibt Mustapha Benfodil in Alger. Journal intense die Aufstände von 1988 und 1995 und deren Spuren, die bis heute in den Köpfen der Menschen weiterleben. Der 1999 gewählte Präsident Abdoulaziz Bouteflika verfolgte eine Politik der nationalen Aussöhnung, die zum Ende des Bürgerkrieges führte. Doch das Leben in Algerien ist weiterhin von grosser Frustration geprägt, wie dies der Film Les Bienheureux von Sofia Djama dokumentiert.

Jours tranquilles à Alger versammelt die Kolumnen der beiden JournalistInnen, Adlène Meddi und Mélanie Matarese, die ein schönes Stimmungsbild der Jahre 2012-2016 wiedergeben. In Dezemberkids arbeitet Kaouther Adimi die Konfliktlinien heraus, die 2019 den Unmut der Bevölkerung explodieren lassen: Korruption, verkrustete Institutionen, mangelnde wirtschaftliche Entwicklung. Nach der Wiederwahl von Abdoulaziz Bouteflika kam es zu massiven, aber gewaltfreien Protesten – dem Hirak, der Bewegung – die von Februar 2019 bis März 2020 jeden Freitag andauerten. Nach dem Rücktritt Bouteflikas forderten die Protestierenden grundlegende Veränderungen des politischen Systems. In seinem Essay Algérie, la nation entravée analysiert Mohamed Sadoun die strukturellen Voraussetzungen für eine solche Massenmobilisierung. Im März 2020 stoppte die Corona-Pandemie alle Demonstrationen, und der Staat hat in den letzten Monaten zahlreiche Aktivist*innen drangsaliert und inhaftiert. Aber seit Ende Februar 2021 ist der Hirak wieder zurück – mit Massendemonstrationen in vielen Städten und Regionen Algeriens.

Nebst Büchern und Filmen gehört auch die Musik zum lebendigen Kulturgut Algeriens, im Speziellen hörenswert sind die verschiedenen Raï-Interpret*innen, von Cheikha Rimitti (1950er-Jahre) bis zur Raï-Musik eines Cheb Khaled in den 80er Jahren. Wunderschön auch die Musik von Mazouni, der arabische Harmonien mit französischen Chansons verschmelzt. Ebenfalls berührend ist die judäo-arabische Tradition der Berbermusik.

Hier finden Sie noch weitere Empfehlungen von uns zu Büchern aus und über Algerien:

  • slide 1
    Yacine Kateb
    Le polygone étoilé
    Le polygone étoilé ist, wie sein Titel ankündigt, ein vielseitiges, verschachteltes Werk, das sich sehr lohnt, in die Hand zu nehmen und...
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    Yasmina Khadra
    Le Baiser et la Morsure
    Mittels kurz formulierter Fragen regt Catherine Lalanne den algerischen Autor Yasmina Khadra (Mohammed Moulessehoul) dazu an, nicht nur s...
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    Jean-Noël Pancrazi
    Je voulais leur dire mon amour
    Mehr als fünfzig Jahre nach der erzwungenen Abreise aus Algerien als Kind, im Jahre 1962, kehrt Jean-Noël Pancrazi zum ersten Mal wieder...
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    Olivia Burton, Mahi Grand
    L'Algérie c'est beau comme l'Amérique
    Eine sehr empfehlenswerte Graphic Novel. Das autobiographische Erinnern der Autorin an ihre Kindheit und Jugend im Kreise der sogenannten...
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    Anne Weber
    Annette, ein Heldinnenepos
    Sowohl literarisch wie inhaltlich packend hat Anne Weber eine Biografie geschaffen, die unter die Haut geht. Beeindruckend, wie die Autor...
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    Assia Djebar
    Oran – Algerische Nacht
    Ein Meisterwerk der scharfsinnigen Erzählkunst. Oran – Algerische Nacht spricht über das Sein und Nicht(mehr)sein, die Zerrissenheit und...
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    Hajar Bali
    Écorces
    Nour, 23-jähriger Student der Mathematik in Alger, lebt mit seiner Mutter, seiner Grossmutter und seiner Urgrossmutter zusammen. Von ihre...
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    Assia Djebar
    Durst
    Assia Djebar hat als nur Einundzwanzigjährige dieses packende Erstlingswerk geschaffen. Ein überzeugender Sturm und Drang Roman, dessen I...
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    Kamel Daoud
    Zabor
    Zabor kommt in Aboukir, einer kleinen Stadt in Algeriens Wüste zur Welt. Seine Mutter wurde kurz nach seiner Geburt von seinem Vater vers...
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    Azouz Begag
    Mémoires au soleil
    In seinem 2018 erschienenen autobiografischen Roman Mémoires au soleil geht der Autor Azouz Begag auf Spurensuche in seiner Familiengesch...
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    Germaine Tillion
    Die gestohlene Unschuld
    Ein Leben zwischen Résistance und EthnologieEine Entdeckung, die ich mille et deux feuilles verdanke: Germaine Tillion, Ethnologin und So...
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    Joann Sfar
    Die Katze des Rabbiners Sammelband 1
    Ein liebenswerte, geistreiche und informative Comicreihe. Zusammen mit der witzigen und wortgewandten Katze des Rabbiners tauchen wir ein...
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    Boualem Sansal
    Rue Darwin
    Die Einstiegsszene in diesen 2011 bei Gallimard erschienenen Roman ist mit einem Sterbebett möbliert. Trotz aussichtsloser...
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Und auf unserer Algerienseite präsentieren wir noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Ägypten

Ägypten fesselt, packt, gibt Rätsel auf, verwirrt und fasziniert zugleich. Unsere Assoziationen reichen vom pharaonischen Ägypten mit seinen Pyramiden und der Sphinx, über den Suezkanal und den Staudamm in Assuan bis zum ägyptischen Frühling 2011, der den Sturz Hosni Mubaraks zur Folge hatte. Wie sich das eine mit dem anderen verbindet, wieviel Pharaonisches heute noch bleibt und wie es zum Sturz Mubaraks kommen konnte, haben wir in den Büchern gesucht und auch an vielen Orten gefunden.

Wir stellen hier eine Auswahl an Büchern vor, die in besonders interessanter Weise Ägypten beleuchten – seine Geschichte, aber auch das Lebensgefühl seiner BewohnerInnen wie auch die immensen Widersprüche dieses Landes.

Zum aktuellen kulturellen Leben in Ägypten wird in den nächsten Monaten Mariam Ibrahim, Journalistin, Autorin, Kunstschaffende aus Kairo und Alexandria berichten. 

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Alexandria, Corniche © Charlotte Nager

Unser Gast aus Ägypten

Maryam

Mariam Ibrahim hat Pharmazie studiert und arbeitet heute als unabhängige Autorin und Übersetzerin in Kairo. Vorher war sie für NGOs in Ägypten wie auch in Goa, Indien, tätig. Ihr Interesse für Theater, das Erzählen von Geschichten und Film ist verbunden mit der Suche nach und dem Staunen über die Verknüpfungen zwischen persönlichen und kollektiven Narrativen. Neben Tanzen und kulinarischen Genüssen hegt sie eine grosse Leidenschaft für das Erfinden von neuen Wörtern und das ziellose Flanieren. 

Hier geht es zu ihren Beiträgen.


Unsere Buchtipps zu Ägypten

Spuren der alten ägyptischen Hochkultur reichen zurück bis ins 4. Jt. v. Chr.. Jan Assmann analysiert in seiner faszinierenden Sinngeschichte Ägyptens die sinnstiftenden Elemente der grossen Pharaonenreiche und wie diese noch heute das Selbstbild Europas beeinflussen. Das kleine Büchlein Echnaton von Hermann Schlögl befasst sich mit diesem Pharaonen, der im 14. Jh. v. Chr. eine monotheistische Religion entwickelt und eingeführt hatte. Es bietet einen guten Einstieg in die faszinierende, komplexe Kulturlandschaft des alten Ägyptens, das seine Traditionen durch alle Wechselfälle der Geschichte und unter allen unterschiedlichen Reichen (Perser, Alexander der Grosse, Ptolemäern, Römer) bis ins 1. Jh. n. Chr. bewahren konnte. Erst nach der Zeitenwende, nach wiederholten Pestepidemien, Aufständen und einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, kehrte sich das Land von seinem alten Glauben ab. Im 7. Jh. n. Chr. eroberten die Araber Ägypten, im 13. Jh. übernahmen die Mamluken, Nachfahren von Sklaven türkischer und kaukasischer Herkunft, die Macht. Auch als 1516/17 Ägypten offiziell ein Teil des osmanischen Reiches wurde, blieben die Mamluken die eigentlichen Herrscher im Land. Gamal al-Ghitanis sehr lesenswerter Roman Seini Barakat spielt während dieser Zeit und beschreibt die repressiven und schon fast paranoiden Machtsysteme jener Epoche. 

Ende des 18. Jh. hielt das napoleonische Frankreich Ägypten kurz besetzt. Nachdem die Osmanen, mit Unterstützung der Briten, das Land wieder zurückerobert hatten, etablierte sich Muhammad Ali, ein aus Makedonien stammender Befehlshaber der osmanischen Armee, als Khedive von Ägypten – ein von der Hohen Pforte verliehener Titel. Mit ihm begann die Geschichte des modernen Ägyptens und unter ihm und seinen Nachfolgern wurde der Suezkanal gebaut. Die hohen Kosten haben den Staat allerdings fast in den Bankrott getrieben, so dass der Kanal an die Briten verkauft wurde, was deren Einfluss enorm verstärkte: der Khedive wurde zum Marionettensultan. Diese Geschehnisse bilden die Kulisse des Romans Le sémaphore d’Alexandrie von Robert Solé, worin er den Werdegang des griechisch-katholischen Journalisten Maxim Touta erzählt. 1914 wurde Ägypten zum britischen Protektorat, 1922 wurde Fuad zum ersten König einer konstitutionellen Monarchie eingesetzt. Formal war Ägypten nun unabhängig. In seiner wunderbaren Kairoer Trilogie schildert Nagib Machfus das Leben des Patriarchen Abd al-Gawwad und seiner Familie, vor dem Hintergrund der nationalistischen Proteste gegen die Engländer und die darauffolgende kulturelle Blütezeit.

Tatsächlich zogen die Briten aber erst 1952 nach dem Putsch der freien Offiziere unter Gamal Abdel Nasser ab. Nasser verfolgte eine sozialistische Politik, führte Landreformen durch, unter ihm wurde der Assuan-Staudamm gebaut und der Suezkanal 1956 verstaatlicht. Der packende Roman Snooker in Kairo von Waguih Ghali, beschreibt das Kairo der 50er Jahre, aus der Perspektive der wohlhabenden und auf England ausgerichteten Oberschicht, die sich erschreckend weit vom Leben der grossen Mehrheit der Bevölkerung entfernt hatte. Eine interessante Zusammenstellung autobiographischer Texte mit dem Titel Durchsuchungen legt Latifa al-Sajjat vor; man lernt, welche Kämpfe eine Feministin im Kairo der 60er Jahre auszutragen hatte und welche Bedeutung die Gemeinschaft und das Politische für die Emanzipation jedes Einzelnen hatte. Auf die Suche nach der Vergangenheit seiner Familie macht sich Jérémy Dres in seiner Graphic Novel Si je t’oublie Alexandrie. Seine Grosseltern jüdischer Herkunft haben noch im kosmopolitischen Alexandria gelebt, mussten das Land dann aber mit dem Erstarken des ägyptischen Nationalismus und dem Krieg mit Israel wie viele andere, Armenier, Griechen, Christen, Juden, verlassen. 

Auf den Tod Nassers folgte Anwar el Sadat als Staatspräsident. Nach dessen Ermordung 1981 übernahm Hosni Mubarak. Welche Folgen die Politik dieser beiden Staatspräsidenten für die breite Bevölkerung Ägyptens hatte, beschreibt Jack Shenker in seinem ausgezeichneten Buch The Egyptians sehr nachvollziehbar. Die Ungleichheiten wuchsen, eine Elite bereicherte sich, die Repression nahm immer stärker zu, ebenso die willkürliche Polizeigewalt. Im Jakubiijân-Bau beschreibt Alaa Al-Aswani unterhaltsam und überzeugend den Kosmos der BewohnerInnen eines Hauses in der Innenstadt Kairos. Mansura Eseddins Hinter dem Paradies wendet sich dem Dorf zu und gibt einen spannenden und sensiblen Einblick in das ländliche Leben und die Geschichte der Ziegelbrennerei. Youssef Rakha wiederum führt uns in seinem äusserst poetischen Roman The Crocodiles in das Milieu der Dichter, Aktivisten und Intellektuellen im Ägypten der 90er und frühen 2000er Jahre. Ein sehr bewegender Text zum Stellenwert von Individualität, auch künstlerischer Individualität, in einer Gesellschaft, die es immer schwieriger macht, seinen eigenen Weg zu gehen. Ein erschütterndes Bild der ägyptischen Gesellschaft zeichnet Ahmed Khaled Towfik in seinem Roman Utopia – eine düstere Dystopie, die in der nahen Zukunft spielt und mit den zahlreich entstandenen, abgeschotteten Wohnsiedlungen für die Reichen gar nicht so weit von der Realität entfernt ist. Ebenfalls in der Zukunft spielt die rasante Satire Women of Karantina von Nael Eltoukhy. Sein burleskes Familienepos kann auch als Kritik am korrupten Staat gelesen werden, an den verkrusteten Moralvorstellungen und als Loblied auf die Widerständigkeit kleiner Leute.

All die gesellschaftlichen Widersprüche und die immer autoritärere und skrupellosere Regierung explodierten im ägyptischen Frühling. Wie umfassend diese Proteste waren, die zum Rücktritt von Hosni Mubarak geführt hatten, liest man ebenfalls bei Jack Shenker. Omar Hamilton hat mit seiner Stadt der Rebellion ein sehr beeindruckendes Zeugnis der Proteste geschrieben, die auf diesen ersten Erfolg folgten. Wir sind mit ihm bei den Protesten gegen die Muslimbrüder, die mit Mursi 2012 die Macht übernommen hatten; und wir sind dabei, als sich nach Mursis Absetzung durch das Militär 2013 und nach der Wahl des Generalobersts Abd al-Fattah as-Sisi zum Staatspräsidenten 2014 ein Klima der Enttäuschung und Resignation ausbreitete. In dem sehenswerten Film Clash von Mohammed Diab treffen ganz unterschiedliche Menschen, die auf den Strassen Kairos am Tag nach dem Putsch gegen Mursi demonstrierten, in einem Gefängniswagen aufeinander – Muslimbrüder, Demokraten, Soldaten. Im engen Wagen werden die unzähligen Fronten im heutigen Kairo sichtbar.

Für die ÄgypterInnen spielt insbesondere Kairo eine zentrale Rolle – diese riesige Stadt, der grösste Ballungsraum auf dem afrikanischen Kontinent und in der arabischen Welt, bildet für sie den eigentlichen Kosmos. Sich in diesem chaotischen Moloch, in dem offiziell rund 20 Millionen Menschen leben, zurechtzufinden, ist schwierig. Da hilft das kleine, schön gemachte Buch Uncommon Cairo, in dem verschiedene AutorInnen ihre Lieblingsorte beschreiben und Geschichten und Erlebnisse dazu erzählen. Einen Einblick in die graphischen Landschaften Ägyptens, mit den zahlreichen Inschriften, Zeichnungen, Graffiti, auf Häusern, Bussen, Läden, gibt das reich illustrierte Buch Khatt. Egypt’s Calligraphic Landscape.

Und für die Musik aus Ägypten … nichts geht über die grosse Umm Khalthoum.

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    Jan Assmann
    Ägypten. Eine Sinngeschichte
    Ich kann dieses intelligente Buch, das sich der Zeitspanne vor der Vereinigung des unteren und oberen Ägyptens bis zur Machtübernahme dur...
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    Hermann A. Schlögl
    Echnaton
    Das Bändchen Echnaton von Hermann A. Schlögl führt uns auf wenigen Seiten präzise vor Augen, wie der radikale Pharao Echnaton im 14. Jh....
    Taschenbuch mehr
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    Gamal al-Ghitani
    Seini Barakat. Diener des Sultans, Freund des Volkes
    Der Roman spielt um 1520 (nach islamischer Zeitrechnung im Jahre 900), im Ägypten unter der Herrschaft der Mameluken, die ihre Macht an d...
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    Robert Solé
    Le Sémaphore d'Alexandrie
    Maxime Touta, ein griechisch-katholischer Ägypter von syrischer Abstammung, erzählt uns seinen Werdegang als Journalist im Ägypten der zw...
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    Nagib Machfus
    Zwischen den Palästen. Kairoer Trilogie I
    Der erste Band dieser wunderbar geschriebenen Familiensaga.
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    Nagib Machfus
    Palast der Sehnsucht. Kairoer Trilogie II

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    Nagib Machfus
    Zuckergässchen. Kairoer Trilogie III

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    Waguih Ghali
    Snooker in Kairo
    Ram stammt aus der unermesslich reichen Oberschicht Kairos. Auch wenn seine Mutter selber kein Geld hat, ermöglicht die Familie ihr und i...
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    Latifa al-Sajjat
    Durchsuchungen
    Durchsuchungen hat mich begeistert! Der aussergewöhnliche Aufbau der Autobiografie ist eine beeindruckende Entdeckung, wie auch ihre Sich...
    Broschiertes Buch mehr
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    Jérémie Dres
    Si je t'oublie Alexandrie
    Jérémie Dres erzählt heiter und zeichnet mit sicherem Strich und monochromer Farbgebung entlang möglicher Erklärungspfade, weshalb seine...
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    Jack Shenker
    The Egyptians. A Radical Story
    Ein äusserst lesenswertes Buch über die politischen Hintergründe Ägyptens und wie diese sich seit der Zeit Nassers entwickelt haben. Ausg...
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    Alaa Al-Aswani
    Der Jakubijân-Bau
    Die ganze Welt in einem Gebäude! Zwar als Spiegelbild der ägyptischen Gesellschaft geschrieben, beinhaltet dieser Roman meiner Meinung na...
    Gebundenes Buch mehr
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    Mansura Eseddin
    Hinter dem Paradies
    Salma kommt nach dem Tod ihres Vaters Raschid zurück ins Haus ihrer Familie, ins Dorf. Sie lebt in Kairo, mit ihrem Mann Sija – sie...
    Taschenbuch mehr
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    Youssef Rakha
    The Crocodiles
    Ein Text in unglaublicher poetischer Dichte. Anstelle von Seitenzahlen gibt es nummerierte Paragraphen. Jeder Paragraph könnte als eigene...
    Taschenbuch mehr
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    Ahmed Khaled Towfik
    Utopia
    Eine sehr düstere Projektion der Zukunft Ägyptens, die aber in der Realität ansatzweise bereits existiert. Die Reichen haben sich an der...
    Taschenbuch mehr
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    Nael Eltoukhy
    Women of Karantina
    In Women of Karantina begeben wir uns auf eine wilde Fahrt in die Zukunft von Alexandria. Die Geschichte beginnt mit Inji und Ali, die si...
    Broschiertes Buch mehr
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    Omar Robert Hamilton
    Stadt der Rebellion
    Mit Khalil und Mariam, Hafez, Rania, Ashraf, Malik und Rosa finden wir uns auf dem Tahrir-Platz, in der Mohamed Mahmoud Street, in den Kr...
    Taschenbuch mehr
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    Mohamed Diab
    Clash
    Ein zutiefst eindrückliches Kammerspiel: explosiv und unvorhersehbar. Clash beruht auf einem raffinierten Drehbuch. Spannend und klar bes...
    DVD mehr
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    Heba Habib, Isabelle Mayault (Hrsg.)
    Uncommon Cairo
    Kairo ist ein Moloch, der seine BesucherInnen eher überfordert. Wohin gehen, worauf achten, wo sind die versteckten kleinen Orten, die kl...
    Gebundenes Buch (mit zahlreichen Abbildungen) mehr
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    Noha Zayed (Fotos), Basma Hamdy (Hrsg.)
    Khatt. Egypt's Calligraphic Landscape
    In diesem mit zahlreichen Fotografien illustrierten Buch wird die Bedeutung von Inschriften, Zeichnungen, Graffiti in der ägyptischen Wel...
    Gebundenes Buch, zahlr. Abb. mehr
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    Mahmoud Fadl
    Umm Kalthum 7000
    "Apart from Allah, they say, Umm Kahlthum is the only subject about which all Arabs agree ... Stern and tragic, rigidly in control,...
    CD mehr

Auf unserer Länderseite von Ägypten und auf der Seite zu der ganzen Region finden Sie noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Bosnien und Herzegowina

Bosnien und Herzegowina ist in den letzten Jahrzehnten näher zu uns gerückt. Viele kennen Leute aus Bosnien und Herzegowina, waren vielleicht selber in Sarajevo in den Ferien und wissen um die Schwierigkeiten im politischen System Bosniens. Und doch ist uns Bosnien weit entfernt. Vielleicht trägt der vor mehr als zwanzig Jahren zu Ende gegangene Krieg dazu bei, dass uns bei Bosnien immer ein wenig mulmig zumute wird.

Wir finden, es ist an der Zeit, Bosnien näher anzuschauen, die vielfältigen kulturellen Produktionen, in Literatur, Musik und Film, und vor allem den Menschen, die in diesem Land leben, aufmerksam zuzuhören. Da sind wir hoch erfreut, dass wir mit Sandra Zlotrg, einer Sprachwissenschaftlerin aus Sarajevo, eine frische, junge Stimme gefunden haben, die uns in regelmässig erscheinenden Blog-Beiträgen den Alltag im heutigen Sarajevo näherbringt.

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Sarajevo, Sebilj © Charlotte Nager

Unser Gast aus Sarajevo

Sandra_klein

Worüber sprechen die Leute, was ist aktuell im Kulturbereich, welche Bücher werden gelesen, welche Filme geschaut, welche Diskussionen darüber geführt? Das haben wir Sandra Zlotrg – Linguistin, die Bosnisch/Kroatisch/Serbisch als Fremdsprache in Sarajevo unterrichtet – gefragt. Und alle drei Wochen beantwortet sie uns diese Fragen in einem neuen Blog-Beitrag. Hier geht es zu ihren Beiträgen.


Unsere Buchtipps zu Bosnien und Herzegowina

Die Geschichte Bosnien und Herzegowinas ist verschlungen und wechselvoll. In den letzten Jahrhunderten bewegte sich das Land an den Grenzen zwischen dem Orient und dem westlichen Europa. In seiner heutigen Form existiert Bosnien und Herzegowina seit 1995, vorher war es immer Teil von einem grösseren Gebilde. Um einen Überblick über die überaus spannende Geschichte der ganzen Region Südosteuropas zu erhalten, hat uns Südosteuropa. Geschichte einer Weltregion von Marie-Jeanne Calic grosse Dienste erwiesen. Auf spannende und sehr lesbare Art und Weise beschreibt sie die Geschichte der gesamten Region und setzt diese auch in Bezug zu Europa und den globalen Entwicklungen. Wer es kürzer und doch präzise will, dem sei die Geschichte des Balkans von Edgar Hösch oder The Balkans. A Short History von Mark Mazower empfohlen. Beides grosse Kenner des südosteuropäischen Raumes.

Die schillernde Geschichte des Landes lässt sich auch in der Literatur aus dem Land nachlesen. Der in Travnik, einer ländlichen bosnischen Kleinstadt, geborene Nobelpreisträger Ivo Andrić lässt in Die Brücke über die Drina aus der Perspektive der Stadt Višegrad die Geschichte des Landes, beginnend mit der osmanischen Zeit bis in die Neuzeit, vorbeiziehen. In Wesire und Konsuln berichtet der österreichisch-habsburgische Konsul über sein Leben in Travnik, über den Umgang mit dem osmanischen Wesir, mit den muslimischen und christlichen Bauern. In dieser Zeit spielt auch Muharem Bazdulj’s Roman Der Ungläubige und Zulejha, wo Lord Byron auf einer Reise durch Bosnien einem jüdischen Arzt begegnet und mit ihm über die Unterschiede zwischen Ost und West sinniert.

Auf den langsamen Zusammenbruch des osmanischen Reiches folgt die vierzigjährige Besetzung Bosniens durch das österreichisch-habsburgische Reich und die Erstarkung zahlreicher nationalistischer Bewegungen und Forderungen in ganz Südosteuropa. In seinem atemberaubenden Roman Die unerhörte Geschichte meiner Familie führt uns Miljenko Jergović – auf den Spuren seiner Familie – unter anderem in die Zeit des österreichischen Imperiums, insbesondere zum Eisenbahnnetz, das damals die verschiedenen Teile des Reiches miteinander, aber auch mit Europa verband. Mit dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau 1914 in Sarajevo wurde der erste Weltkrieg ausgelöst und die Welt ins Chaos gestürzt. Für Bosnien begann damit ein sehr langes Jahrhundert von Kriegen. Mit dem Ende des ersten Weltkrieges entstand 1918 das Königreich der Kroaten, Serben und Slowenen, ab 1929 das Königreich Jugoslawien, dem bis zum zweiten Weltkrieg auch Bosnien angehörte. Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde Bosnien kurzzeitig in den faschistischen Ustascha-Staat von Ante Pavelić integriert, dessen Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung Sarajevos auch in Miljenko Jergović's Texten zornige Erwähnung finden. Nach dem zweiten Weltkrieg einte Tito die jugoslawischen Teilrepubliken im Sozialistischen Jugoslawien. Nach dieser Phase der wirtschaftlichen Entwicklung und des relativen Wohlstands führte Titos Tod bald zur Auflösung der Föderation und schliesslich zum Bosnienkrieg, als Bosnien und Herzegowina die Loslösung aus Milošević’s Jugoslawien ankündigte. Aufgerieben zwischen Kroatien und Serbien hat Bosnien die grössten Opfer erlitten während dieses Krieges, der von 1992 bis 1995 dauerte und mit dem Dayton-Abkommen seinen Abschluss fand. Die dreijährige Belagerung Sarajevos ist uns wohl noch heute im Bewusstsein, wie auch die unermessliche Tragödie von Srebrenica. 8000 muslimische Männer und Jugendliche wurden von der Armee der serbischen Bosnier vor den Augen der UNO-Blauhelme ermordet. Emir Suljagic schildert die Erlebnisse aus Srebrenica in erschütternder Weise in Srebrenica – Notizen aus der Hölle (leider vergriffen). Die amerikanische Journalistin Barbara Demick hat während der Belagerung Sarajevos die Bewohnerinnen und Bewohner der Logavina Strasse begleitet und deren Geschichten porträtiert. Sie gibt mit Besieged ein eindrückliches Bild der Lebensumstände der Bewohner und Bewohnerinnen von Sarajevo während dieser Belagerung und lässt die daraus entstandenen Verletzungen erahnen. In seiner Graphic Novel Bosnien zeichnet Joe Sacco auf eingängige Weise das Schicksal von Gorazde, dieser ebenfalls vom Umland abgeschnittenen Enklave im Drinatal nach. Einen überaus poetischen Roman hat Alma Lazarevska mit Im Zeichen der Rose über dieses so tragische Jahrhundert geschrieben.

Seit dem Kriegsende versucht Bosnien und Herzegowina ein funktionierendes politisches System aufzubauen. Mit der Teilung des Landes in die Republika Srpska und der Konföderation von Bosniaken und Kroaten im restlichen Land und einer Regierung, wo alle Teile des Landes Entscheide blockieren können, ist das nicht einfach. Und die verschiedenen Bevölkerungsgruppen scheinen sich weiter auf sich selbst zurückzuziehen ... Diese Nachkriegszeit und die tiefen Wunden, die der Krieg hinterlassen hat, zeigen sich in den Erzählungen von zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, die im Band Bibliothek Sarajevo versammelt sind. Im Gedenken an die während des Krieges zerstörte bosnisch-herzegowinische Nationalbibliothek in Sarajevo, der Vijećnica, haben aktuelle Autorinnen und Autoren, unter anderen Saida Mustajbegović, Faruk Šehic, Nenad Veličković und Lejla Kalamujić, Texte beigesteuert. In Tierchen Unlimited schildert Tijan Sila wie die Wunden des Krieges bis in die Diaspora reichen. Und in den Gedichten von Faruk Šehic, im Band Abzeichen aus Fleisch versammelt, erhalten diese Wunden eine unheimliche Poesie.

Neben einer reichen literarischen Produktion, ist auch die bosnische Film- und Musikproduktion unglaublich vielfältig und interessant. Besonders angetan hat es uns die traditionelle Sevdah-Musik, die von melancholischen Liedern geprägt ist. Amira Medunjanin überträgt die Sevdahs in moderne Arrangements, die Mostar Sevdah Reunion führt vor, wie Bosniaken und Kroaten in Mostar über diese alten Lieder zusammengeführt werden könnten. Aus den vielen Filmen von bosnischen Filmschaffenden hat uns Der perfekte Kreis von Ademir Kenović besonders beeindruckt. Er zeichnet ein unglaublich eindrückliches und menschliches Bild des Lebens in Sarajevo während des Krieges.

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    Marie-Janine Calic
    Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region
    Marie-Janine Calic ist eine grosse Kennerin Südosteuropas. Und es ist ein Vergnügen, sie zu lesen und ihren Gedankengängen zu folgen. So...
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    Edgar Hösch
    Geschichte des Balkans

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    Mark Mazower
    The Balkans
    Ein geschichtliches Plädoyer zu einem anderen Verständnis vom Balkan. Ein Abriss des osmanischen Imperiums, der Beziehungen zwischen den...
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    Ivo Andrić
    Die Brücke über die Drina
    Ein tief beeindruckendes Buch, das der Geschichte der Brücke, die bei Višegrad über die Drina gebaut worden ist, nachzeichnet. Um 1500 wu...
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    Ivo Andrić
    Wesire und Konsuln
    Travnik, ein Städtchen in einem engen Tal in Bosnien, 1805. Die Begs diskutieren darüber, dass ein französischer Konsul kommen wird, und...
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    Muharem Bazdulj
    Der Ungläubige und Zulejha
    1809 unternimmt der englische Dichter Lord Byron eine Reise durch den Mittelmeerraum. Er bereist auch Albanien. In gekonnter Sprache nimm...
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    Miljenko Jergović
    Die unerhörte Geschichte meiner Familie
    In einem riesigen Mosaik aus Geschichten und in immer wiederkehrenden Kreisen, wie ein ins Wasser geworfener Stein, der immer weitere Kre...
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    Emir Suljagić
    Srebrenica – Notizen aus der Hölle
    Emir Suljagić schreibt gegen die Gleichgültigkeit an. Als junger Mann hat er von 1992 bis 1995 im von der Armee der bosnischen Serben ein...
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    Barbara Demick
    Besieged. Life Under Fire on a Sarajevo Street
    Zwei Jahre hat die amerikanische Journalistin während der Belagerung in Sarajevo verbracht. Und während dieser zwei Jahre hat sie die Bew...
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    Joe Sacco
    Bosnien
    Die gezeichnete Reportage von Joe Sacco erlaubt ein ganz anderes Verständnis der Ereignisse, als es ein Text oder ein Geschichtsbuch könn...
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    Alma Lazarevska
    Im Zeichen der Rose
    In aussergewöhnlicher Weise verwebt Alma Lazarevska die Geschichte von Aleksa Š. und dessen Sohn und Enkel mit der Geschichte Rosa Luxemb...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 12
    Senad Halilbašić, Ingo Starz (Hrsg.)
    Bibliothek Sarajevo
    2010 besuchten die beiden Herausgeber Sarajevo, mit dem Ziel eine Radiosendung zur zerstörten Nationalbibliothek Bosnien-Herzegowinas zu...
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    Tijan Sila
    Tierchen Unlimited
    Ein Coming of Age-Roman der ganz anderen Art. Der Ich-Erzähler lässt sich beim Erzählen in die Karten schauen – und die sind meist v...
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    Faruk Šehić
    Abzeichen aus Fleisch

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    Mostar Sevdah Reunion
    Café Sevdah
    Der Produzent Dragi Sestić formierte die Band Mostar Sevdah Reunion zum ersten Mal auf dem Höhepunkt des Bosnienkrieges in 1993 – er...
    CD mehr
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    Ademir Kenović
    Der perfekte Kreis
    Ein Film, der einem lange im Gedächtnis bleibt. Da ist der Schrecken und das Grauen des Krieges. Da hat Ademir Kenović kein Erbarmen mit...
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Auf unserer Länderseite von Bosnien und Herzegowina und auf der Seite zu der ganzen Region finden Sie noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Kulturraum Mittelmeer

Thessaloniki

Unser erster Themenschwerpunkt widmet sich dem Kulturraum Mittelmeer. Hier geht es uns nicht um eines der Länder, die das Mittelmeer säumen, sondern um das Meer selber und den Kulturraum, der daraus erwachsen ist. Uns interessiert, was diese Region zusammenhält, was die gemeinsamen Themen, die gemeinsamen Vorstellungen sind. Gibt es so etwas wie eine Kultur des Mittelmeers? Die hier vorgeschlagenen Texte erzählen von solch einer Kultur und untermalen diese sehr anschaulich. Gemeinsamkeiten, Anklänge, Verschiebungen werden sichtbar. Auch in der Musik lassen sich gemeinsame Themen ausmachen. In Flora und Fauna sowieso.

Andererseits ist gerade heute das Mittelmeer mehr denn je ein Grenzwall geworden, ein Niemandsland, ein Massengrab. Diese bittere Aktualität möchten wir nicht aus den Augen verlieren, sondern mehr darüber erfahren. 

Fahrt mit der Fähre von Portoferraio (Elba) nach Piombino (Festland). Im Hintergrund liegt Elba (morgens ca. um 7 Uhr aufgenommen am Samstag, 12.8.2017). Fotografiert von Katrin Hafner

Unsere Tipps zum Mittelmeer

Zum Thema Mittelmeer empfehlen wir Ihnen die packende Biographie des Mittelmeeres von David Abulafia, der die letzten 20'000 Jahre Geschichte aus der Perspektive des Mittelmeeres anschaulich erzählt. Predrag Matvejević's Mediterran assoziiert Wörter, nautische Begriffe, Bezeichnungen für Winde, Architektur im ganzen Mittelmeerraum und schafft es, die Ahnung von einem lebendigen Kulturraum zu erwecken. Eine äusserst anregende Einführung in diesen Kultur- und Lebensraum geben auch die kurzen Essays von Fernand Braudel, Duby und Aymard.

Mit Wolfgang Bauer begleiten wir eine Gruppe von syrischen Flüchtlingen, die die Fahrt übers Meer von Ägypten aus wagen wollen, und Abu Bakr Khaal nimmt uns in poetischer Art und Weise auf seine beschwerliche Reise in den Norden mit. Jonas Carpignano sucht in seinem preisgekrönten Film Antworten zum Ausbruch der Unruhen in Rosario 2010. Mit Ignacio Aldecoa fahren wir zwar nicht aufs Mittelmeer, aber seine Beschreibung des Fischfangs vor der irischen Küste ist so eindrücklich und unvergleichlich, dass wir ihn einfach nicht weglassen können.

Mit Tutti Frutti zeigt Gabriela Wachter uns anhand von wunderschönen Illustrationen die Vielfalt der mediterranen Flora, und Jules Michelet sinniert 1861 über den Ursprung allen Lebens aus dem Meer. Literarisch zeichnet Mathias Énard eine Karte der Kriege rund ums Mittelmeer.

Die musikalischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Mittelmeerländern sind schön auf dem Rough Guide to the Mediterranean zu hören. 

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    David Abulafia
    Das Mittelmeer. Eine Biographie
    Das schön aufgemachte Buch mit vielen Bildtafeln bietet eine ausführliche Geschichte der Kulturen rund ums Mittelmeer, angefangen bei 22'...
    Broschiertes Buch mehr
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    Jules Michelet
    Das Meer
    Das Meer, erstmals 1861 erschienen, befasst sich mit dem Meer als Urkraft und Wiege allen Lebens, aber auch als Ort der Produktion,...
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    Abu Bakr Khaal
    African Titanics
    Ein äusserst berührendes, höchst poetisches Buch über das eigene Erleben der Fahrt über das Mittelmeer. Der Ich-Erzähler stammt aus Eritr...
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    Various
    The Rough Guide to the Mediterranean
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    Jonas Carpignano
    Mediterranea
    Eine eindrückliche Aufarbeitung der gewalttätigen Unruhen in Rosarno, die sich gegen Afrikanische Einwanderer richteten.
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    Lorenzo Ceccarelli / Gabriela Wachter
    Tutti Frutti
    Bäume und Früchte des Mittelmeerraums in Kultur und Geschichte. Sehr schön gemachtes Buch mit zahlreichen wunderbaren Illustrationen.
    Gebundenes Buch, mit zahlreichen Illsutrationen mehr
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    Mathias Énard
    Zone
    Ein 500-seitiger innerer Monolog, von einem, der die Welt mit ihren Kriegen, Verraten und Gewalt nicht mehr aushält. Eine assoziative Leb...
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    Wolfgang Bauer
    Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa.
    Wolfgang Bauer, ein Journalist, begleitet gemeinsam mit dem Fotografen Stanislav Krupar, inkognito eine Gruppe von Syrern auf ihrem Versu...
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    Predrag Matvejević
    Der Mediterran
    Ein leidenschaftlicher Text zum Mittelmeer und dem Raum, der es umschliesst. Was ist gleich, was ist ähnlich, was verbindet? In einem ass...
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    Ignacio Aldecoa
    Gran Sol
    Eine dichte, auch irgendwie lakonische Beschreibung, einer Fischfangfahrt von Galizien aus an die englische/irische Küste. Es geht um die...
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    Fernand Braudel
    La Méditerranée. L'espace et l'histoire

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    Fernand Braudel, Georges Duby, Maurice Aymard
    Die Welt des Mittelmeeres
    In den 1986 auf französisch erschienenen Essays – mit Überschriften wie Land, Meer, Dämmerung und Lebensraum – entwerfen Braude...
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Hier kommen Sie auf die Länderseite zum Kulturraum Mittelmeer und können in unserem gesamten Sortiment zum Thema schmökern.


Süditalien

Süditalien ist sicher nicht mehr das fremde Land, das es bis vor noch nicht allzu langer Zeit schien, aber zu entdecken gibt es noch immer unglaublich viel. Wir möchten Sie auf eine Reise durch die Geschichte Süditaliens und in das Hier und Jetzt der verschiedenen Regionen des einstigen Königreichs Neapel und beider Sizilien einladen, in die Abruzzen, nach Molise, Kampanien, Basilikata, Apulien und Kalabrien. Eine Gegend, die von Perspektivlosigkeit, Abwanderung und organisierter Kriminalität geprägt ist, aber auch von vielen Ideen und Experimenten für eine vielversprechendere Zukunft.

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Matera, Basilikata © Charlotte Nager

Unser Gast aus Bari

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Carola Köhler arbeitet als freie Lektorin und
Übersetzerin. Seit einem Erasmus-Studium vor dreissig Jahren in Bari ist sie Apulien mit Leib und Seele verbunden. Neben dem leckeren Essen, der Sonne und dem Meer sind es vor allem die Gastfreundlichkeit, die Herzlichkeit und der Gestaltungswille der Menschen hier, die sie immer wieder begeistern. So sind langjährige Freundschaften entstanden, die dazu beigetragen haben, dass sie seit ein paar Jahren vermehrt längere Zeit am Stück in und um Bari verbringt. Während eines Jahres wird sie uns alle zwei Monate von ihrem kulturellen Alltag in Apulien berichten.

Hier geht es zu ihren Beiträgen.


Unsere Buchtipps zu Süditalien

Die Geschichte Süditaliens reicht bis in die Antike zurück, als in der Magna Graecia viele der heute noch existierenden Städte gegründet wurden. Und natürlich war es Teil des römischen Reiches. Carlo Rumiz nimmt uns in seinem lesenswerten Buch Via Appia auf eine Wanderung von Rom nach Brindisi mit, auf der Suche nach Spuren dieser antiken Vergangenheit. Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches fielen Goten, Byzantiner, Sarazenen und Normannen ein. Die Letzteren gründeten 1140 das erste vereinigte Königreich beider Sizilien. Unter den Stauferkönigen, insbesondere unter Friedrich II., der den kulturellen Austausch mit der arabischen Welt förderte, erlebte Süditalien eine kulturelle Blütezeit. Das Castel del Monte in Apulien kann heute noch bestaunt werden, Dichtung aus dieser Epoche hat Sebastian Neumeister zusammengestellt.

Unter den Normannen und den Staufern wurden die Adligen, die Barone des Südens, noch von einer starken monarchischen Zentralgewalt in Schach gehalten. Neben Neapel gab es viele weitere Städte, die Handel trieben und zum kulturellen Leben des Königreichs beitrugen. Im Laufe der Zeit vergrösserten die zahlreichen, aufeinander folgenden Dynastien – das Haus Anjou, die Aragonen, das Spanisch-Habsburgische Weltreich, die Bourbonen – die Schicht des Feudaladels, mit der Folge, dass die Städte ihr politisches Gewicht verloren. Die Barone hatten mehr und mehr das Sagen. Gegen sie konnte sich keine gewerbliche Mittelschicht durchsetzen, auch keine bodenständige Bauernklasse. Das Land liessen die Barone von Tagelöhnern bestellen, für die sie nicht nur Arbeitgeber, sondern auch die einzige Obrigkeit überhaupt waren. Ein fein verästeltes Klientelsystem, das auf Gegenseitigkeit beruhte und Sicherheit gegen Loyalität tauschte, entwickelte sich. Der Staat – und oft auch die Kirche – waren in den ländlichen Gebieten, vor allem in den abgelegenen Tälern und Bergregionen kaum präsent und die Menschen den Baronen ausgeliefert.
In den Städten, insbesondere in Neapel, der Hauptstadt des Königreichs, kam es hingegen vermehrt zu Gewalt zwischen dem übermächtigen Adel und dem Volk. 1647 beispielsweise erhoben sich die verarmten Massen, die Lazzeroni, unter der Führung des Fischers Masaniello gegen die Obrigkeit. Der Aufstand wurde zwar schnell niedergeschlagen, rief aber ein grosses Echo in ganz Europa hervor. Masaniello wurde zur Modellfigur der politischen Insurrektion. Diese Revolte hat der Deutsche Christian Weise 1692 zu einem Drama verarbeitet.
Pestepidemien und Hungersnöte verschlechterten im 18. Jhd. zusätzlich das Leben der Unterschicht in den Städten und der Landbevölkerung. Wie sich der Alltag in dieser Zeit in Süditalien und im barocken Neapel angefühlt haben könnte, beschreibt Dominique Fernandez in seinem Roman Porporino ou les mystères de Naples.

Das Vorrücken Napoleons in Nord- und Mittelitalien führte in Neapel 1799 zur Ausrufung der Parthenopäischen Republik, die aber nur von der liberalen städtischen Elite getragen wurde. Bereits nach einigen Monaten hatte Kardinal Ruffo eine Armee aus Bauern und Briganten zusammengestellt, die als Sanfedisten (Christliches Heer vom Heiligen Glauben) nach Neapel zogen und dort ein Blutbad anrichteten – die gesamte geistige Elite Neapels wurde damals ausgelöscht. Die Landbevölkerung sah nämlich nicht den Baron als Feind, sondern die bürgerlichen Aufsteiger. Doch der Geist des Risorgimento und die Ideen von Mazzini, der für die Unabhängigkeit und die Einigung der italienischen Staaten kämpfte, verbreiteten sich auch in Süditalien. 1848 wurde ganz Italien von Aufständen erschüttert, die eine liberalere Ordnung und nationale Unabhängigkeit zum Ziel hatten. Garibaldi, ein Anhänger Mazzinis, marschierte mit den Tausend, seinen tausend Mitkämpfern, nach Süditalien und eroberte Sizilien und Neapel. Im Herbst 1860 stimmte Neapel in einem Plebiszit für einen Anschluss an das geeinte Italien. Doch die Piemontesen benahmen sich wie weitere fremde Herrscher und behandelten Süditalien wie ihre Kolonie. Sie stützten sich auf die alte Elite, und die Versprechen von Landreformen wurden nicht umgesetzt. Dies wiederum heizte den Widerstand an. Bauern, Tagelöhner, ehemalige bourbonische Soldaten und Ganoven bildeten die ländliche Guerilla der Briganten, die gegen die Einigung Italiens kämpfte. Einige dieser Briganten, z.B. der aus der Basilikata stammende Carmine Crocco, werden noch heute im Süden in Liedern und Festen verehrt. Der Krieg der italienischen Armee gegen die Landbevölkerung dauerte von 1861 bis 1865 und wurde mit grosser Grausamkeit geführt. Raffaele Nigro lässt in seinem historischen Roman, I fuochi del Basento, die Briganten aufleben, während Laurent Gaudé eine Familiengeschichte, Le soleil des Scortas, erzählt, die im Roman mit der Rückkehr eines Banditen in sein apulisches Heimatdorf 1870 ihren Anfang nimmt.

Die Einigung Italiens bescherte Süditalien keine Verbesserungen. Im Gegenteil: das neue piemontesische Steuersystem erschwerte die Situation der lokalen Kleinindustrie drastisch. In ihrer berühmten Sozialreportage über die bassi-Quartiere, Il ventre di Napoli, zeigt Matilde Serao den Alltag im Neapel von 1884. Während in Norditalien wichtige Modernisierungsprozesse stattfanden, blieben diese im Süden aus. Ausländische Betriebe und Unternehmen verliessen Süditalien, Armut und Massenarbeitslosigkeit nahmen zu. Nach dem Ersten Weltkrieg war das ein fruchtbares Terrain für die faschistische Bewegung, die 1922 Mussolini zur Wahl zum Ministerpräsidenten verhalf. Wie das Leben im faschistischen Neapel ausgesehen haben mag, beschreibt Maurizio de Giovanni in seinem spannenden Krimi Die Versuchung des Commissario Ricciardi. 1940 trat Italien auf der Seite von Deutschland in den Krieg ein, bis 1943 die Alliierten in der Bucht von Salerno landeten und Italien den Waffenstillstand erklärte. Daraufhin übernahm die Wehrmacht die Kontrolle über Neapel. Ihre Absicht, Männer zur Zwangsarbeit in Deutschland zu rekrutieren, führte zu einem Volksaufstand, der nach nur vier Tagen die Wehrmacht aus Neapel vertrieb. Nachzusehen ist das im Film Quattro giornate di Napoli (1962) von Nanni Loy. Doch dies war der einzige Kampf, der in Süditalien stattfand. Durch die schnelle Vertreibung der Faschisten und der Deutschen aus Süditalien formierte sich die Partisanenbewegung nur im Norden Italiens. Dass die Partisanen aber doch auch in Süditalien ein Thema waren, zeigt Zora del Buono in ihrer zu grossen Teilen in Bari spielenden Familiengeschichte Die Marschallin.
Die chaotischen Monate nach der Ankunft der Amerikaner lässt uns Norman Lewis in seinem Tagebuch Neapel '44 nacherleben. Die Nachkriegsjahre, die Armut und die weiter wachsende Auswanderung beschreibt Anna Maria Ortese in ihrem Erzählband Neapel liegt nicht am Meer. Auch Erri de Luca nimmt sich dem Thema Nachkriegszeit und dessen Verarbeitung in seinem Roman Meer der Erinnerung an, wo ein Jugendlicher während idyllischer Sommerferien in Ischia auf die brutalen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg trifft.

Unter dem Faschismus wurden Oppositionelle in den Süden verbannt, so auch Carlo Levi, der 1935/36 im kleinen Dorf Aliano, in der Provinz Matera, verbrachte. In seinem Buch Christus kam nur bis Eboli beschreibt er die unglaubliche Armut der Kleinbauernfamilien und die vielfältigen magischen Rituale, mit denen sie sich zu schützen versuchten. Ignazio Silone zeichnet empathisch die Lebensbedingungen der "cafoni" in einem kleinen Bergdorf in den Abruzzen nach und erschafft mit Fontamara ein bleibendes Sinnbild für die erlittenen Ungerechtigkeiten. In beiden Romanen wird auch deutlich, wie fremd sich die Bauern unter der italienischen Regierung fühlten, in einem Staat, der eine andere Sprache sprach und ihnen jeden noch so bescheidenen Besitz wegnahm. Wie archaisch Matera auch in den 60er Jahren noch wirkte, wird in Pier Paolo Pasolinis Verfilmung des Matthäus-Evangeliums sichtbar. Und wie arm noch heute die Menschen in den ländlichen Regionen, beispielsweise in den Abruzzen, sind, wo Kinder zu reicheren Verwandten in Obhut gegeben werden müssen, zeigt Donatella di Pietrantonio in ihrem berührenden Roman Arminuta. Von jungen Menschen, die heute wieder Landwirtschaft in Apulien zu betreiben versuchen, erzählt Paolo Giordano in Den Himmel stürmen. Geflüchtete Menschen, die vom italienischen Staat oft völlig allein gelassen werden, sehen sich heute ähnlich ausbeuterischen Bedingungen wie die Landbevölkerung in der Nachkriegszeit ausgesetzt. So werden sie, wie dies Gilles Reckinger in Bittere Orangen darlegt, zum Spielball skrupelloser Unternehmer. Geflüchtete schuften für denkbar wenig Lohn zum Beispiel in den Orangenplantagen von Rosarno, Kalabrien, wo Reckinger sie angetroffen und mit ihnen gesprochen hat.

Im 18. Jh. wurde Süditalien von den Reisenden der Grand Tour als fremd empfunden. Für Goethe war der Schritt von Rom nach Neapel ein Schritt ins wilde Europa. Die dort brodelnden Leidenschaften rückten Neapel eher in die Nähe der Natur als in die Nähe der Kultur und Gelehrsamkeit, wie Rom sie verkörperte. Dieter Richter beschreibt in Neapel. Biographie einer Stadt auch die Geschichte der Italiensehnsucht, des Tourismus in Neapel und wie der Tourismus Süditalien prägte und beeinflusste. Talisa Lallai hat in ihrem Fotobuch Autosole die Grand Tour des 18. Jh. heute wiederholt und bildlich umgesetzt. Die Italiensehnsucht zog nach dem Ersten Weltkrieg viele Künstler und Künstlerinnen ins kleine Fischerdorf Positano an der Amalfiküste. Diese Künstlerkolonie, die sich gegen das mondäne Capri abgrenzte, beschreiben Philipp und Ingrid Cepl-Kaufmann in spannender Weise in ihrem Buch Der einzige senkrechte Ort der Welt.
Das Gefühl der Fremdheit gegenüber Süditalien empfanden auch die Menschen aus Norditalien. In den 50er/60er-Jahren entwickelte sich die italienische Ethnologie, die sich mit der süditalienischen Lebensweise beschäftigte. Insbesondere der Ethnologe Ernesto de Martino hat sich mit den magisch-religiösen Ritualen Süditaliens auseinandergesetzt, die in den 60er Jahren oft auch in Form von Filmen beschrieben wurden. So zeigte Gian Franco Mingozzi in La Taranta die Tarantismus-Heilungstrancen im Salento, Cecilia Mangini dokumentierte in Stendalì die Totenklagen in einem griechisch-kalabrischen Bergdorf und Lino Del Frà einen Erntekult in der Basilikata in Passione del grano. Auch wenn diese magisch-religiösen Praktiken heute in den Hintergrund getreten sind, so bleiben immer noch eine sehr lebendige Volksfrömmigkeit, Madonnenprozessionen, Büsserzüge in weissen Kapuzengewändern und die Verehrung von Heiligen. Und der Totenkult in Neapel, den Ulrich van Loyen in Neapels Unterwelt beschreibt.

Nicht zuletzt wird das Leben in Süditalien auch von den Mafiaorganisationen geprägt, der Camorra in Neapel und Umgebung, der 'Ndrangheta in Kalabrien oder der Sacra Corona Unita in Apulien. Die Gründe für die Entstehung dieser Organisationen sind vielfältig: die Abwesenheit des Staates, die Tradition des Brigantentums, der fehlende Landbesitz von Kleinbauern, die jahrhundertealte Klientelstrukturen, die sich die Mafia zunutze machte, tragen alle dazu bei. Wie die verschiedenen Mafiaorganisationen funktionieren und wie sie sich verändert und den globalisierten Zeiten angepasst haben, beleuchtet Oliver Meiler in seiner Reportage Agromafia. Gioacchino Criaco erzählt in Schwarze Seelen aus eigener Erfahrung, wie die Menschen vom Aspromonte im Süden Kalabriens sich in der 'Ndrangheta für ihre Würde und gegen den untätigen Staat zur Wehr setzten. Der Journalist Antonio Talia wiederum erzählt detailliert entlang der Statale 106, von Reggio bis Sidorno, von den einzelnen Verbrechen der 'Ndrangheta, deren Organisationsform und von deren internationalen Verbindungen – sowie von deren Einfluss auf die lokalen Gemeinwesen. Immer wieder müssen lokale Gemeindeverwaltungen aufgelöst und unter staatliche Aufsicht gestellt werden, weil die Beziehungen zur Mafia zu eng oder zu offensichtlich werden. Carmine Abate stellt in seinem Roman Zwischen den Meeren Menschen ins Zentrum, deren Waffen gegen die 'Ndrangheta ihre Sturheit ist. Auch Gianrico Carofiglio widmet seinen Krimi Kalter Sommer dem Kampf gegen die Mafia in Bari. Dass man oft kaum zwischen Mafia und korrupten Regierungsbeamten trennen kann und wie auch ohne direkten Einfluss der Mafia ein lähmendes Klima für alle entsteht, zeigt Nicola Lagioia in seinem packenden, in Apulien spielenden Roman Eiskalter Süden.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann das reichere Norditalien sich um den Süden zu kümmern und realisierte verschiedene Finanzierungslinien und grosse Industrieprojekte. Dominique Fernandez fasst die Politik des Nordens gegenüber dem Süden in seinem lesenswerten Buch Mère Méditerranée von 1965 zusammen – aus der damaligen Sicht. Trotz dieser Anstrengungen sind insbesondere seit den 50er Jahren Millionen von Menschen aus Süditalien Richtung Norditalien oder ins Ausland abgewandert. Die Migration riss Familien auseinander, entfremdete Männer und Frauen von ihrer Heimat, entvölkerte ganze Dörfer und Städte. Einen Blick auf die Migration aus dem Süden wirft Marco Balzano in seinem Roman Damals am Meer, wo Grossvater, Vater und Sohn aus Mailand gemeinsam nach Barletta in Apulien reisen, um die Familienwohnung aufzulösen. Was das für die jeweiligen Generationen bedeutet und wie weit sie sich bereits von dieser Heimat entfernt haben, beispielsweise durch den Gebrauch des Dialekts, kommt im Roman zur Sprache. Die Auswanderung hat auch bedeutet, dass viele Frauen alleine zurückgeblieben sind, wenn die Männer auf Suche nach Arbeit in den Norden gezogen sind. Welche Geschichten sich hinter den schwarz gekleideten Frauen der süditalienischen Städte und Dörfer verstecken, davon erzählt Thomas de Padova in seinem berührenden Roman Nonna.
Dass in einer Gegend mit hoher Abwanderung ein anderer Umgang mit geflüchteten Menschen möglich wäre, zeigt Mimmo Lucano in seinem Bericht Dorf des Willkommens über die Ansiedlung geflüchteter Menschen in Riace, Kalabrien.

Die Schwarz-Weiss Fotografien von Roger Wehrli in Mezzogiorno vermögen die Beklemmung, die Süditalien mit all seinen Widersprüchen auch hervorruft, einzufangen.

Musikalisch hat Süditalien Spannendes zu bieten, den Cantautore Eugenio Bennato, und viel Tarantella-Musik, von den Canzoniere Grecanico Salentino bis zu Ludovico Einaudis Taranta-Projekt.

Hier finden Sie noch weitere Empfehlungen von uns zu Büchern aus und über Süditalien:

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    Thomas Steinfeld
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    Mit Thomas Steinfeld lässt sich ausserordentlich spannend und in alle Richtungen denkend die verschiedenen Regionen Italiens besuchen. Wi...
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    Valeria Parrella
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    Benoît Jallon, Umberto Napolitano (Hrsg.)
    Napoli. Super Modern

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    Alessandro Tota
    Fratelli

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    Maurizio de Giovanni
    Zwölf Rosen in Neapel
    Der erste Fall für Mina Settembre
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    Jean-Luc Godard
    Die Verachtung
    Die Ehe eines Drehbuchautors zerbricht während seiner Arbeit zu einem Film über die Irrfahrten des Odysseus. Seine Frau glaubt, er wolle...
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    Karen Haid
    Calabria: The Other Italy
    Calabria: The other Italy, nimmt dich mit auf eine spannende Entdeckungsreise durch eine noch immer sehr wenig bekannte Region im Süden I...
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    Maria Carmen Morese
    Gebrauchsanweisung für Apulien und die Basilikata
    Die Gebrauchsanweisung für Apulien und Basilikata nimmt uns mit in die weissen Städte des Salento, an die unberührten Buchten des Gargano...
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    Barbara Schaefer
    Lesereise Amalfi/Cilento. Wo die rote Sonne wirklich im Meer versinkt
    Barbara Schaefer leitet den Blick auf die unbekannteren Orte der Küste von Kampanien. Sie interessiert sich weniger für die von Touristen...
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    Susanne Müller-Wolff (Hrsg.)
    Apulien und Basilikata. Eine literarische Einladung
    Dieses schöne, mit rotem Leinen geschützte und fadengeheftete Bändchen aus der Wagenbach-Reihe Salto mit zwölf stimmigen, schwarz-weiss F...
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    Elsa Morante
    Arturos Insel
    Der Entwicklungsroman Arturos Insel (1957) von Elsa Morante öffnet dem Leser die seit der Antike gewachsene Kultur des Mittelmeerraumes....
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    Maurizio de Giovanni
    Das Krokodil

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Und auf unserer Italienseite präsentieren wir noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Der Süden Frankreichs

Der Süden Frankreichs – das ist für die meisten von uns ein Versprechen von Sonne, Meer, Ferien … Aber Südfrankreich, bei uns bedeutet das die Provence-Côte d'Azur und Okzitanien (früher Languedoc-Roussillon und Pyrenäen), hat nicht nur eine reiche Geschichte von Austausch, Vernetzungen und einer faszinierenden provenzalischen Kultur, sondern auch von grausamen Kriegen, Massakern, Unterdrückung, die in der einen oder anderen Form heute noch Teil des Alltags sind. In der Literatur lassen sich viele dieser Facetten der Gegend entdecken und nachempfinden. Mit unserem Themenschwerpunkt laden wir Sie zu dieser Entdeckungsreise ein!

Marseille

Ombrière von Norman Forster, Marseille © Charlotte Nager

Unser Gast aus Marseille

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Connie Leu, unsere Gastkorrespondentin aus Marseille, unterrichtet Sprachen und Geschichte. Sie lebt zurzeit in Marseille und nährt sich von der Fülle der Literatur und von der Liebe zur französischen Sprache. Während des kommenden Jahres wird sie in regelmässigen Blogbeiträgen von ihren kulturellen und alltäglichen Begegnungen und Entdeckungen aus dieser faszinierenden Stadt berichten. Lesen Sie hier ihre Beiträge.


Unsere Buchtipps zum Süden Frankreichs

Der Süden Frankreichs, ursprünglich von Ligurern, dann auch von Kelten besiedelt, war schon immer ein Ort des Austauschs, des Handels, aber auch von Kriegen und Eroberungen. Die Griechen gründeten Massalia, das heutige Marseille, die Römer haben Gallien beherrscht, im 8. Jhd. haben Araber, Sarazenen genannt, den ganzen Süden Frankreichs erobert. Die Kämpfe mit den Sarazenen und die Auseinandersetzung mit dem Islam schildert Wolfram von Eschenbach in seinem Epos Willehalm, das den Sagenstoff um Guillaume d’Orange aufnahm, einem Enkel von Karl Martell, der unter Karl dem Grossen und Ludwig dem Frommen in vielen Schlachten gegen die Sarazenen gekämpft hatte. Das Epos zeichnet sich durch seine tolerante Haltung gegenüber dem Islam aus. 

Ende des 10. Jh. haben die Kapetinger die Macht übernommen – mit ihnen beginnt die Geschichte des heutigen Frankreichs. Das Reich bestand aus mehreren Fürstentümern, die prinzipiell den König anerkannten. Im 12. Jhd. hatte in ganz Europa, aber insbesondere im Süden Frankreichs, in Toulouse, Albi, Agen und Carcassonne, die Katharerbewegung Fuss gefasst. Auf der Grundlage ihrer dualistischen Bibelauslegung, wandten sie sich gegen den katholischen Klerus. Sie waren bei der Bevölkerung beliebt, und ausser den kleineren Fürsten gab es keine übergeordnete Autorität. Bis der Albigenserkreuzzug von 1209-1229, angeführt von Philipp II. und Papst Innozenz III., mit äusserster Brutalität die Katharer verfolgte und fürchterliche Massaker an der Bevölkerung anrichtete. Als Konsequenz (oder vielleicht doch als Auslöser?) hat dieser Kreuzzug zu einer eigentlichen Kolonialisierung des Languedoc geführt. Die örtlichen Fürsten verschwanden, die ganze Region wurde direkt dem König unterstellt. Zbigniew Herbert schildert diesen Krieg gegen den Süden Frankreichs in seinem Essay Opfer der Könige auf eindrückliche Weise. Der Kreuzzug brachte die Instrumente der Inquisition mit sich und den Niedergang der provenzalischen Kultur, so auch der Troubadoure. Die provenzalische Sprache begann zu verschwinden. 

Im späten 16. Jahrhundert fand der Protestantismus in Frankreich Einzug. Nachdem Ludwig XIV. das 1598 abgeschlossene Edikt von Nantes, das den Hugenotten in Frankreich religiöse Toleranz und volle Bürgerrechte gewährte, 1685 aufhob, kam es in ganz Frankreich zum Widerstand. Aber nur in den Cevennen, einer der ärmsten Gegenden Frankreichs, führte dieser zu einem Aufstand. Der Widerstand der Kamisarden, den Bauern und Handwerkern, wurde blutig niedergeschlagen, dauerte aber als Guerillakrieg bis 1704 und endete mit der Entvölkerung der Cevennen. Ludwig Tieck schildert diesen Krieg in seiner 1826 verfassten Novelle Der Aufruhr in den Cevennen. 

Wie man sich das städtische Leben in Marseille um die Zeit nach der Französischen Revolution, mit seiner langsam an ihr Ende gelangenden Adelsgesellschaft, seinen korrupten Bankiers und den urbanen Orten der Unterhaltung, vorstellen kann, beschreibt Emile Zola in seinem Roman Die Geheimnisse von Marseille, zusammengestellt aus faits divers der zeitgenössischen Presse. Auch die Julirevolution, mit den in Marseille errichteten Barrikaden, spielt eine zentrale Rolle. Den abgelegenen Dörfern und ihrer Bevölkerung um ungefähr dieselbe Zeit hinterlässt Jean Giono mit seinem Roman Ein Mensch allein ein eindrückliches Porträt. Sein Roman spielt ebenfalls um 1840 in der tief verschneiten Haute-Provence, die von den politischen Ereignissen in den Städten offenbar sehr losgelöst ist. Und wo die Langeweile Menschen zu existenzieller Verzweiflung führen kann.

Auch der Erste Weltkrieg ging natürlich nicht spurlos an der südfranzösischen Welt vorbei. In seinem Krimi, Das ermordete Haus, der anfangs des 20. Jahrhunderts spielt, beschreibt Pierre Magnan die Gesellschaft der ländlichen Provence, wie sie nach dem Krieg ausgesehen hat, nicht zuletzt mit den aus den Schützengräben zurückgekehrten Minenopfern. Der Zweite Weltkrieg wiederum hat Südfrankreich als freie Zone während der ersten Kriegsjahre einen besonderen Status beschert. Insbesondere Marseille wurde zum Sammelbecken von aus Deutschland flüchtenden jüdischen und nicht-jüdischen Intellektuellen. Anna Seghers beschreibt dieses verzweifelte Warten und Hoffen auf ein Visum in Marseille in ihrem zeitlosen Roman Transit. Auch in Sanary-sur-Mer hat sich eine Exilgemeinde von deutschen Künstlern und Künstlerinnen gebildet. Lisa Fittko beschreibt in ihrem Erinnerungsbericht Mein Weg über die Pyrenäen auch davon, wie sie im berüchtigten Frauenlager von Gurs interniert worden war. 

Bereits vor den beiden Weltkriegen hat sich der Süden Frankreichs zum grossen Sehnsuchtsort entwickelt, wo Wintergäste, Kurgäste, Touristen eine Befreiung vom kalten, engen Norden und dessen Regeln suchten. In seinem lesenswerten Roman, Ein Winter in Nizza, imaginiert Christian Schärf die Aufenthalte von Friedrich Nietzsche von 1883-1888 ebenda. Emily Walton nimmt uns in ihrem kleinen Roman, Der Sommer in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte, mit zu den Anfängen des amerikanischen Tourismus an der Côte d’Azur, zusammen mit den jungen Wilden, Hemingway und F. Scott Fitzgerald. Auch Klaus und Erika Mann haben 1931 die südfranzösische Küste bereist und ihre Erlebnisse in den mondänen Touristenorten in Das Buch von der Riviera beschrieben. Für Monsieur Mahé, in Simenons Roman Die Ferien des Monsieur Mahé, bedeutet die Sonne und Hitze auf Porquerolles eine langsame Befreiung aus den gewohnten Zwängen. Ein spannendes psychologisches Drama spielt sich unter südlichem Himmel ab.

Doch die Fremden sind nicht nur erholungssuchende Feriengäste. Schon ab 1860 kamen zahlreiche Einwanderer aus Italien, Spanien und anderen Ländern, um Arbeit auf den grossen Baustellen, den Salinen oder den Weinbergen zu suchen. Das geschah nicht immer in Minne. Am Beispiel des Massakers 1893 an italienischen Arbeitern, die in den Salinen von Aigues-Mortes beschäftigt waren, beschreibt Gerard Noiriel in seinem Buch Le Massacre des Italiens, welche Faktoren zu einem solchen Pogrom hatten führen können. Auch eine grosse Zahl von Menschen aus Algerien haben während der Kolonialzeit, selbst als «Staatsbürger zweiter Klasse», ihr Glück in der «Mutternation» gesucht; andere sind nach dem Abzug der Franzosen 1962 aus Algerien als Harkis, also als Hilfskräfte der französischen Kolonialverwaltung, nach Frankreich evakuiert worden; viele sind bis heute auf der Suche nach Arbeit nach Frankreich gelangt. Nach dem Verlust «ihrer» Kolonie und dem Festhalten an rassistischen Reflexen war diese Einwanderung alles andere als einfach. Alice Zeniter thematisiert dieses (Nicht-)Ankommen in Frankreich in ihrem sehr lesenswerten Roman Die Kunst zu verlieren. Die Nähe wie auch die Fremde zwischen dem Süden Frankreichs und dem Norden Afrikas kommt in der Graphic Novel von Benoît Guillaume und Navel Louerrad, Alger-Marseille, allers-retours, schön zum Ausdruck. Auch aus den nördlichen Bergregionen, wie den Savoyen, machten sich in den 1950er-Jahren viele Menschen auf den Weg in den Süden, auf der Suche nach Arbeit, etwa für den Bau des Staudamms Malpasset, nördlich von Fréjus, wie das Maryline Desbiolles in ihrem bezaubernden Roman Rupture erzählt. Und ewig Fremde sind die Gitans. Fernanda Eberstadt hat in ihrer Reportage Le Chant des Gitans das Leben einer Familie in Perpignan begleitet, wo die grösste Gitan-Gemeinde Frankreichs lebt. Sie sind Nachfahren der spanischen Kalé und unter der Vichy-Regierung gezwungen worden, sich niederzulassen. Eberstadts Reportage gewährt einen einmaligen Einblick in diese abgeschlossene Lebenswelt.

Einen Blick auf das vergangene Leben in der Crau und den Alpilles wirft Sylvain Prudhomme in seinem Roman Legenden. Ausgehend von einer Diskothek in der Camargue, die in den 80er Jahren ein lebendiger Treffpunkt war, beschreibt Prudhomme die langsam verschwindende Welt der gardiens und der Alpsommer in den Alpilles. Christian Signol hat die Lebenserinnerungen von Marie des Brebis, die als Schafhirtin in Quercy gelebt hat, aufgeschrieben. Dadurch können wir etwas von der Lebensart in der urtümlichen Gegend im Südwesten Frankreichs erhaschen. Und die von 1926 stammenden provenzalischen Erzählungen aus der Camargue, La caraco, von Joseph d’Arbaud, erlauben in ihrer zweisprachigen Ausgabe sogar einen Eindruck von der Schönheit des Provenzalischen.

Das sprudelnde kulturelle Zentrum bildet natürlich Marseille, die zweitgrösste Stadt Frankreichs. Immer schon widerborstig und in tausend Facetten schillernd, entspricht die Hafenstadt auch heute nicht dem lieblichen Bild Südfrankreichs. Mafia, Bandenkriege, Drogenumschlagplatz, die Quartiers Nords – sie gehören zum Marseiller Alltag. Günter Liehr hat mit Marseille. Porträt einer widerspenstigen Stadt ein ausgezeichnetes Buch über die Stadt und ihre Geschichte geschrieben. Philippe Pujol, ein einheimischer Journalist, beschreibt in seiner Reportage, Die Erschaffung eines Monsters, die Mechanismen welche die Entstehung, aber auch die Fortsetzung von Ungleichheit und sozialen Problemen begünstigen. Der schöne Roman, Corniche Kennedy, von Maylis de Kerangal, setzt mit einer Gruppe von Jugendlichen, die sich nicht von ihren Sprüngen von den Felsen ins Meer abhalten lässt, der Widerständigkeit ein Denkmal. Marseille ist natürlich auch eine unerschöpfliche Quelle für zahlreiche Krimiautoren, Jean-Claude Izzo ist mit seiner Marseille-Trilogie der wohl bekannteste unter ihnen. An zahlreichen Orten in Marseille wird an ihn erinnert. Auf seinen Spuren lassen sich das Panier-Quartier erkunden ebenso wie die Calanques. 

Stoff für Krimis bietet aber nicht nur Marseille: Alexander Oetker folgt in seinem packenden Buch Zara & Zoë den miteinander verstrickten mafiösen, islamistischen und rechtspopulistischen Strukturen, die ja sehr stark sind in dem weltoffenen Süden Frankreichs, bis nach Nizza. Xavier-Marie Bonnots Kommissar, Michel de Palma, führt uns Im Sumpf der Camargue ins Naturparadies des Rhonedeltas, aber auch in die Provence der reichen Rentiers und in die Zeit der Besatzung durch die Deutschen – sogar noch weiter zurück in die Zeit der provenzalischen Legenden.

Manfred Hammes streift mit seinem Reisebegleiter Durch den Süden Frankreichs kreuz und quer durch die verschiedenen Gegenden, schreibt von abgelegenen Orten, von kleinen Museen, von versteckten Restaurants. Mit dem Fokus auf die Literatur lädt er seine Leserschaft zu einer spannenden Reise in die (Literatur-)Geschichte Südfrankreichs. Und diese ist überaus reich: Marcel Pagnol, Alphonse Daudet, Frédéric Mistral, Jean Giono, um nur einige der Klassiker der südfranzösischen Literatur zu nennen. Eine wunderbare Einladung zur Entdeckung der weniger bekannten Regionen, voller Anekdoten und Hinweise auf neue Spuren. Wer auf eigenen Füssen die Provence durchwandern will, hat mit François Meienbergs Wanderführer Zu Fuss durch die Provence eine perfekte Begleitung.

Auch musikalisch hat der Süden Frankreichs einiges zu bieten: von der Rap-Band IAM, die Izzo auf seinen Ermittlungen begleitet, über Massilia Sound System, die auf Provenzalisch singen, bis zur Compagnie Rassegna, welche die unterschiedlichen musikalischen Traditionen – spanisch, italienisch, nordafrikanisch, armenisch –, die in Marseille aufeinandertreffen, miteinander zu wunderbaren Liedern verknüpft.

Und zu guter Letzt – natürlich etwas vom Wichtigsten – lässt sich eine Reise nach Südfrankreich auch kulinarisch in vollen Zügen geniessen. Nach- oder vorgekocht werden kann etwa mit Hilfe des Kochbuchs Provence von Murielle Rousseau. Ins Périgord führt dann auf kulinarische Art und Weise Brunos Garten von Martin Walker und Julia Watson.

Hier finden Sie noch weitere Empfehlungen von uns zu Büchern, die in Südfrankreich spielen:

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    Sylvain Prudhomme
    Par les routes
    Welches Leben ist das richtige? Wie kann ich die Zeit, die so schnell vergeht, möglichst bewusst und intensiv erleben? Sie ausdehnen durc...
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    Michel Maisonneuve
    Une vieille colère
    Daniel, der Erzähler dieser Geschichte, leidet seit einem Unfall an schweren Herzproblemen. Deshalb verbringt er seinen Sommer im Altersh...
    Broschiertes Buch mehr
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    Cay Rademacher
    Dunkles Arles – Ein Provence Krimi
    Ein spannender Krimi, der uns nach Arles mitnimmt - zu allen Sehenswürdigkeiten und in die engen Gassen und Häuser der Altstadt - und gan...
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  • slide 4
    Cédric Fabre (Hrsg.)
    Marseille Noir
    Vierzehn ganz unterschiedliche Erzählungen sind in diesem Band versammelt – die einzige Gemeinsamkeit ist Marseille. Sie spiele...
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    Patrick Coulomb (Hrsg.)
    Marseille, an 3013
    Eine ganze Palette von Zukunftsvorstellungen breitet sich in diesem Erzählband aus. Menschen, die unter Wasser leben; Menschen, die sich...
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    Fitz J. Raddatz
    Nizza – mon amour
    Ein literarischer Reiseführer, in dem Raddatz in pittoresken Impressionen die Schönheit seiner Wahlheimat beschwört. 
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    Marie-Christine Guerini, Antoine Artillan
    La Saga Guerini

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    Emmanuelle Lambert
    Giono, furioso
    Wer war Jean Giono? Dieser Riese der französischen Literatur, dieser unverrückbare Held von Manosque, der in jeder Literaturliste der fra...
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    Lion Feuchtwanger
    Der Teufel in Frankreich
    Erlebnisse 1940
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    Frédéric Pajak
    Ungewisses Manifest 5
    Van Gogh. Das Funkeln
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    Sylvain Pattieu
    Le bonheur pauvre rengaine

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    Ita Heinze-Greenberg
    Die Europäische Mittelmeerakademie
    Hendricus Th. Wijdeveld, Erich Mendelsohn und das Kunstschulprojekt an der Côte d'Azur
    Broschiertes Buch, zahlr. Abb. mehr
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    Sabine Günther
    Herzasthma des Exils
    Eine literarische Spurensuche in Marseille
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    Gianrico Carofiglio
    Drei Uhr morgens
    Antonio lebt zusammen mit seiner Mutter. Der Vater hat die Familie schon vor einigen Jahren verlassen. Der aufgeweckte, interessierte und...
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    Lothar Baier
    Jahresfrist

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    Dominique Fernandez
    Le peintre abandonné

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    Varian Fry
    Auslieferung auf Verlangen
    Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41
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    Eveline Hasler
    Mit dem letzten Schiff
    Der gefährliche Auftrag von Varian Fry
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    Robert Louis Stevenson
    Travels with a Donkey in the Cévennes and The Amateur Emigrant

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    Lawrence Durrell
    The Avignon Quintet

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Libanon

Wenn wir an den Libanon denken, kommen uns die wunderbaren Mezze beim libanesischen Restaurant um die Ecke in den Sinn, bald dann aber der Bürgerkrieg von 1975-1990 und die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. Dass der Libanon ein kulturelles Zentrum der ganzen Region ist, viele Verlage ihre Heimat in Beirut haben und vielfältigste kulturelle Produktionen dort entstehen, entzieht sich meist unserem Wissen. 

Tausend und zwei Gründe, weshalb es sich lohnt, einen oder mehrere Blicke auf dieses Land zu werfen. Deshalb freuen wir uns sehr, dass wir eine kleine Gruppe von kulturell interessierten und tätigen Personen aus Beirut dazu gewinnen konnten, Beiträge für die Kulturnotizen aus Beirut zu verfassen.

Sin El Fil

Beirut, Sin El Fil © Charlotte Nager

Unsere Gäste aus Beirut

Diana_Porträt

Zu unserem Themenschwerpunkt Libanon werden verschiedene Personen Beiträge für unsere Kulturnotizen aus Beirut schreiben. Dabei soll es in erster Linie um Reflexionen zu kulturellen Ereignissen gehen, um Impressionen zum kulturellen Leben in dieser quirligen Stadt. Diana Halabi ist Künstlerin. 


Gisela_Porträt

Gisela Nauk ist Politökonomin und lebt und arbeitet in Beirut.

Hier geht es zu den Beiträgen.


Unsere Buchtipps zum Libanon

Der Libanon in seiner heutigen Form ist erst nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches entstanden. Wie England und Frankreich die ehemals osmanischen arabischen Gebiete untereinander aufgeteilt haben, welche Intrigen und welche strategischen Überlegungen zum heutigen Libanon geführt haben, ebenso wie sich der Staat bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges entwickelt hat, lässt sich gut in A History of Modern Lebanon von Fawwaz Traboulsi nachlesen. Sein Buch ermöglicht, die heutigen Ereignisse im Libanon und im ganzen Nahen Osten besser zu verstehen. Entlang der Schicksale einzelner Familien aus der ganzen Levante erzählt auch Gilbert Sinoué in seinen beiden Bänden Le souffle du jasmin und Le cri des pierres auf nachvollziehbare Weise die Geschichte der Region. 

Nachdem der Libanon 1946 die volle Souveränität erhalten hat, entwickelte sich ein Parteiensystem, in dem die konfessionelle Zugehörigkeit wichtiger war als das politische Programm. Jabbour Douaihy thematisiert in seinem Roman Morgen des Zorns wie dieses System in der Folge zu einer regelrechten Feudalisierung der Politik geführt hat.

Mit der Gründung Israels flüchteten 380'000 Palästinenser und Palästinenserinnen in den Libanon. Elias Khoury schildert in berührender Weise in seinem leider nur noch auf Englisch erhältlichen Buch Gate of the Sun das Schicksal der in den Libanon geflohenen Palästinenser und deren Dasein zwischen der verlorenen Heimat und dem eigenartig ausgegrenzten Dasein in den Flüchtlingslagern im Libanon. Das immer gewaltsamere Aufeinandertreffen bewaffneter Milizen, palästinensischer und christlicher, rechtsradikaler Falange, und die Interventionen Syriens und Israels führten schliesslich zum Ausbruch des Bürgerkrieges 1975. Die bildende Künstlerin und Schriftstellerin Etel Adnan analysiert in ihrem leidenschaftlichen Kurzroman Sitt Marie-Rose die zu diesem Zeitpunkt herrschenden Konflikte zwischen Christen und Palästinensern. 

Der Bürgerkrieg selber wurde vom Journalisten Robert Fisk in Pity the Nation minutiös beschrieben. In seinen Reportagen kann man seinen klugen Analysen zum nahöstlichen Gefüge folgen, zu den Massakern von Sabra und Schatila, zu der Logik des Bürgerkrieges, aber auch zur Geschichte des Journalismus und wie dieser in den 80er Jahren funktioniert hat. Der Krieg selber bildet den Nährboden für zahlreiche künstlerische Auseinandersetzungen mit den traumatischen Erlebnissen. Hier gilt es an erster Stelle das äusserst beeindruckende Buch The Stone of Laughter von Hoda Barakat zu erwähnen, die auf berührende Weise beschreibt, was ein Krieg mit den Menschen macht, die ihn erleiden müssen. Zeina Abiracheds eindrückliche Graphic Novel Das Spiel der Schwalben erlaubt uns einen persönlichen Einblick in den Kriegsalltag ihrer Familie in den 80er Jahren. 

Mit dem auf das Kriegsende folgenden Wiederaufbau von Beirut erlebte die Gesellschaft ganz grundlegende Veränderungen – und auch Entfremdungen, wie diese von Hassan Dawud in seinem melancholisch-beklemmenden Der Gesang des Pinguins geschildert werden. In dieser Zeit spielt auch das unbedingt lesenswerte Buch Marjams Geschichten von Alawiyya Sobh, ein Mosaik von Frauenschicksalen. Den Blick auf die Umgestaltung der Stadt Beirut legt Rabee Jaber in seinem Roman The Mehlis Report, der 2005 nach dem Attentat auf den Premierminister Rafik Hariri spielt. In Ali and his Russian Mother verleiht Alexandra Chreiteh in frischer und frecher Sprache derjenigen Generation eine Stimme, die im Spannungsfeld Hisbollah-Israel aufgewachsen ist und den Zweiten Libanonkrieg 2006 miterlebt hat. Einen sehr empfehlenswerten Einstieg in die neuere Geschichte des Libanon hat der polnische Autor Stanislaw Strasburger mit seiner Sachbuch-Fiktion Besessenheit. Libanon verfasst. 

Nun ist es ruhiger geworden im Libanon – aber stabil ist die Situation nicht. Mit dem Krieg in Syrien sind rund 1,5 Millionen Geflüchtete in den Libanon gekommen. Im Roman An Unsafe Haven stellt sich Nada Awar Jarrar die Frage nach der Möglichkeit von Heimat nach dem Erleben einer Flucht, nach Zugehörigkeit in einem Land, in dem man nicht aufgewachsen ist. Für die Geflüchteten aus Syrien wiederholt sich das Schicksal der Flucht und Heimatlosigkeit für Millionen Menschen einmal mehr. In einem aussergewöhnlichen Projekt des Peirene Verlages, den Shatila Stories, erhalten die Geflüchteten selber Raum, ihren Alltag und ihre Geschichten zu erzählen.

Trotz der Kriegs- und Fluchterinnerungen, die tiefe Spuren im Leben der Menschen hinterlassen haben, ist Beirut eine quirlige und lebendige Stadt, voll von Gegensätzen und Widersprüchen. Einen Einblick in diese Fülle an Eindrücken gibt das sehr schön gemachte Buch Beyrouth, chroniques et détours des Autorenkollektivs Mashallah. 

Aus der Vielfalt der musikalischen und filmischen Produktionen aus dem Libanon möchten wir an dieser Stelle auf den Film West-Beyrouth, der den Alltag von drei Jugendlichen während des Bürgerkrieges nachzeichnet, und auf die spannende zeitgenössische Band Mashrou’ Leila verweisen. Einen wunderbaren Überblick über die Musikszene im Nahen Osten von den 1920ern bis in die 70er Jahre gibt uns Lamia Ziadé in ihrer einzigartigen Graphic Novel Ô nuit, ô mes yeux

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    Fawwaz Traboulsi
    A history of Modern Lebanon
    Die Geschichte Libanons vom Osmanischen Reich bis in die Zeit nach dem Bürgerkrieg von Fawwaz Traboulsi ist vortrefflich, insbesondere we...
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    Gilbert Sinoué
    Le souffle du jasmin
    Die Geschichte beginnt 1916 mit dem Sykes-Picot Abkommen und führt die Leserschaft durch Jahrzehnte voller Kriege und Katastrophen bis in...
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    Gilbert Sinoué
    Le cri des pierres
    Der zweite Teil der Familiensaga im Nahen Osten setzt 1956 ein. Das Ägypten von Nasser, die unüberwindlichen Konflikte zwischen der arabi...
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    Jabbour Douaihy
    Morgen des Zorns
    Im Juni 1957 hat in einer Kirche der Kleinstadt Barka eine Massenschiesserei zwischen zwei verfeindeten Familien stattgefunden. Mehr als...
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    Elias Khoury
    Gate of the sun
    Das Buch nimmt einen mit. In die Vergangenheit, in die Geschichten der vertriebenen Palästinenser und Palästinenserinnen, in die verschlu...
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    Etel Adnan
    Sitt Marie-Rose
    Ein erschütternder Text. In schnörkelloser und auch erbarmungsloser Klarheit und Schärfe analysiert Etel Adnan den Zustand der libanesisc...
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    Robert Fisk
    Pity the Nation
    Zuerst schreckte ich zurück vor diesem monumentalen Werk über den libanesischen Bürgerkrieg von 1975 bis 1990. Ein dickes Buch, kleingedr...
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    Hoda Barakat
    The Stone of Laughter
    Ein Text, der einen nicht loslässt, rüttelt, irritiert, wärmt, beruhigt, tieftraurig macht und auch wieder zum Lachen bringt. Es ist ein...
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    Zeina Abirached
    Das Spiel der Schwalben
    Zeina Abirached's Graphic Novel hält einen von der ersten Seite an in Bann. Gewisse Seiten scheinen auf den ersten Blick mit harmlosen sc...
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    Hassan Dawud
    Der Gesang des Pinguins
    Im Zentrum des Romans steht das Thema des Verlustes der Heimat, des selber gewählten Lebens. Der Ich-Erzähler – erst mit der Zeit ve...
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    Alawiyya Sobh
    Marjams Geschichten
    Romanfiguren sind auf der Suche nach Alawiyya Sobh, ihrer Autorin, die während so vieler Jahre ihre Geschichten gesammelt hat. Sie ist ve...
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    Rabee Jaber
    The Mehlis Report
    Beirut im Herbst 2005. Nach dem Attentat auf den Premierminister Rafik Hariri hat die UNO Detlev Mehlis mit den Untersuchungen zum Mordan...
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    Alexandra Chreiteh
    Ali and his Russian Mother
    Aus der Sicht einer jungen Frau (wir kennen ihren Namen nicht) erfahren wir, wie sich Menschen beim Ausbruch eines Krieges verhalten könn...
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    Stanisław Strasburger
    Besessenheit. Libanon
    Das Buch ist als Sachbuch-Fiktion beschrieben. Und das trifft es auch. Obwohl das erklärte Ziel ist, keine historisch-gesellschaftliche A...
    Gebundenes Buch mehr
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    Nada Awar Jarrar
    An Unsafe Haven
    Ein Roman, in dem wir in das aktuelle Beirut eintauchen. Erzählt werden uns die Geschichten von Hannah und Peter, Anas und Brigitte, Mays...
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    Omar Khaled Ahmad, Nibal Alalo, Safa Khaled Algharbawi, Omar Abdellatif Alndaf, Rayan Mohamad Sukkar, Safiya Badran, Fatima Omar Ghazawi, Samih Mahmoud and Hiba Mareb
    Shatila Stories
    Der englische Verlag Peirene hat mit dem Projekt Shatila Stories den Geflüchteten aus Syrien (und aus Palästina) im palästinensischen Flü...
    Broschiertes Buch mehr
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    Mashallah News et AMI
    Beyrouth, chroniques et détours

    Broschiertes Buch (mit zahlr. Abb.) mehr
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    Ziad Doueiri
    West Beyrouth
    West Beyrouth ist ein sehr guter Einstieg, wenn Sie sich Beirut und dem in dieser Stadt 1975 ausgebrochenen Bürgerkrieg annähern möchten....
    DVD mehr
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    Mashrou' Leila
    Raasuk
    Mashrou' Leila bedeutet soviel wie Leilas Projekt oder auch "Overnight Project". Sie ist eine fünfköpfige libanesische Alternat...
    CD mehr
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    Lamia Ziadé
    Ô nuit, ô mes yeux. Le Caire / Beyrouth / Damas / Jerusalem
    Dieses wunderbare Buch – Text und Zeichnungen – entführt uns in den Nahen Osten der 20er bis 70er Jahre. In die goldene Zeit de...
    Broschiertes Buch mehr

Auf unserer Länderseite von Libanon und auf der Seite zu der ganzen Region finden Sie noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Syrien

Unseren zweiten Themenschwerpunkt widmen wir Syrien. Syrien ist in unserem Alltag so präsent wie noch nie geworden, und die schlechten Nachrichten aus diesem kriegsgeschüttelten Land reissen nicht ab. Neben den aktuellen Kriegsereignissen interessiert uns hier die Geschichte des Landes. Auf welchem Boden sind die Zustände gewachsen, die die desaströse Gegenwart ermöglicht oder vielmehr bedingt haben? Und wie geht es den Leuten, die nach wie vor in Syrien leben?

Wir freuen uns, dass Elena Wetli, eine in Syrien lebende Schweizerin, sich bereit erklärt hat, Berichte aus dem syrischen Alltag zu verfassen. Was erzählen die Menschen über ihre Situation in Syrien, was treibt sie um, wie  sieht der Alltag in Tartus aus? Alle zwei Wochen werden wir einen neuen Beitrag von Elena Wetli aufschalten.

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Gast aus Syrien

Elena Wetli

Für unseren Themenschwerpunkt Syrien hat die in Tartus lebende Ethnologin Elena Wetli von Mai bis August 2017, mehrheitlich während des Ramadans, Beiträge zum Alltag in der syrischen Hafenstadt Tartus und im Umland verfasst. Wir haben sie gebeten, uns einen kleinen Einblick in den Alltag der Menschen im kriegsversehrten Syrien zu geben. Wie geht es den Menschen, was hoffen sie, was denken sie und was treibt sie um? Im Abstand von je drei Wochen schalten wir die Beiträge von Elena Wetli auf unsere Webseite.

Hier finden Sie ihre Beiträge.


Unsere Buchtipps zu Syrien

Wir haben für Sie eine Zusammenstellung von einigen Titeln zu und aus Syrien gemacht, die uns gefallen, beeindruckt, berührt haben: Michael Sommer führt uns auf sehr lesbare und  nachvollziehbare Weise zurück in die Geschichte der Antike, nach Hatra, Jerusalem, Aleppo, Palmyra. Einen visuellen Eindruck von diesen Orten und die Diskussionen um diese Schätze in den Wirren des Bürgerkrieges finden Sie im bebilderten Buch von Mamoun Fansa. Gertrude Bell, man nennt sie auch die weibliche Lawrence of Arabia, beschreibt humorvoll und kenntnisreich ihre Reise in das Syrien von 1905. Gerhard Schweizer gibt einen äusserst spannenden Überblick über die Geschichte des Nahen Ostens seit der Antike bis in die Neuzeit – die verschiedenen politischen wie auch kulturellen und religiösen Strömungen, das immer schon prekäre Verhältnis zwischen dem Orient und dem Okzident. John McHugo präsentiert uns eine dichte Beschreibung der Geschichte Syriens der letzten hundert Jahre. Sein Text ist insbesondere empfehlenswert zusammen mit dem Buch seiner Frau, Diane Darke. Sie beschreibt die neueren Ereignisse Syriens als persönliche Reportage, entlang des Erwerbs und des Bewohnens eines Hauses in Damaskus. Ihre Analyse der Gesellschaft und ihre kulturellen und philosophischen Überlegungen ermöglichen uns einen aufschlussreichen Innenblick auf die Region. Im Film Al-Leil von Mohamed Malas nehmen wir teil am Schicksal einer Kleinstadt und ihrer Bewohner und Bewohnerinnen in den syrischen Golanhöhen und erfahren eine ganze Menge zu den politischen Ereignissen der 60er Jahre.

Literarisch lässt sich die drückende Schwere des Assad-Regimes in Syrien seit 1970 insbesondere in der sehr melancholischen, äusserst lesenswerten Familiengeschichte von Khaled Khalifa  erfahren. Sie führt uns in die Resignation und das Schweigen der 70er und 80er Jahre unter Assad. Die Grausamkeit und Härte dieses Regimes gegenüber seinen Bürgern und Bürgerinnen lässt sich in dem beeindruckenden Gefängnisroman von Mustafa Khalifa auf schockierende Art erahnen. Die äusserst grausame Haltung gegenüber Menschen, die sich nicht dem Regime unterordnen, versucht Daniel Gerlach in seiner Analyse des Herrschaftssystems unter Assad zu erklären.

Die aktuellen Zustände seit dem Ausbruch des Krieges 2011 dokumentiert Samar Yazbek in sehr persönlicher Weise mit ihren Reportagen. Sie erlaubt uns durch ihr Schreiben einen tiefen Blick in die Wünsche und Ängste der Menschen, die sich für eine Veränderung der Verhältnisse eingesetzt haben. Larissa Bender stellt uns eine ganze Reihe von Kulturschaffender in und aus Syrien vor und führt uns vor Augen, wie wichtig Kunst und Kultur gerade in den Zeiten sind, da man eigentlich denken könnte, dass nur noch das Überleben zählt.

Einen visuellen Blick auf die Komplexität der Kriegssituation gewährt uns Hamid Sulaiman mit seiner  Graphic Novel über ein Untergrundspital im Norden Syriens. Mit seinen expressionistischen Zeichnungen ist dieses Buch eine Entdeckung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Das eigene Empfinden gegenüber der Zerstörung der Heimat, der Stadt, der Familie finden wir einerseits in den tieftraurigen Miniaturen von Niroz Malek, in denen die Grenze zwischen Leben und Tod in irritierender Art und Weise verwischt wird. Er wollte Aleppo und seine Heimat nicht verlassen. Hamed Abboud, der mit fantastischen Elementen und mit viel schwarzem Humor seine Flucht aus Syrien nach Österreich beschreibt, eröffnet uns dank seines lyrischen Könnens einen neuen Blick auf das kriegsgeschüttelte Syrien – und auf die Flucht, die seit Kriegsbeginn für so viele Menschen aus Syrien zur Realität geworden ist.

Orient-Occident II von Jordi Savall erweist Syrien eine musikalische Hommage.

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    Michael Sommer
    Syria. Geschichte einer zerstörten Welt
    Michael Sommer ist ein Kenner der Antike im Nahen Osten, und ein Verfechter des Blicks auf Kontinuitäten und langfristige Entwicklungen....
    Broschiertes Buch mehr
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    Mamoun Fansa (Hrsg.)
    Syrien
    Sechs Weltkulturerbe-Stätten in den Wirren des Bürgerkriegs
    Gebundenes Buch (mit zahlr. Abb.) mehr
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    Gertrude Bell
    Am Ende des Lavastromes – Durch die Wüsten und Kulturstätten Syriens (1905)
    Die Reiseschilderungen von Gertrude Bell habe ich mit Genuss gelesen. Sie bringen Bells Begeisterung, Neues zu entdecken ebenso lebhaft r...
    Gebundenes Buch mit Fotografien mehr
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    Gerhard Schweizer
    Syrien verstehen. Geschichte, Gesellschaft und Religion
    Gerhard Schweizer hat mit diesem Buch 1998 eine äusserst lesbare Einführung in die verschiedensten Facetten und die Komplexität des arabi...
    Taschenbuch mehr
  • slide 5
    John McHugo
    Syria. A Recent History
    Dieses Buch liest sich bestens zusammen mit dem Buch von Diana Darke: My house in Damaskus – An inside view of the Syrian Revolution...
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  • slide 6
    Diana Darke
    My house in Damascus – An Inside View of the Syrian Crisis
    Diese Buch liest sich bestens zusammen mit dem Buch von John McHugo, Syria. A History of the Last Hundred Years. Während sich McHugo durc...
    Taschenbuch mehr
  • slide 7
    Mohamed Malas
    Al leil – Die Nacht
    Al leil spielt in Quneitra, eine Stadt auf den Golanhöhen im Südwesten von Syrien, wo die osmanische Verwaltung im 19. Jahrhundert aus de...
    DVD mehr
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    Khaled Khalifa
    Pas de couteaux dans les cuisines de cette ville
    Ein zutiefst melancholisches Buch, das uns mittels einer in sich zusammenfallenden Familie durch die politische Geschichte Syriens seit d...
    Taschenbuch mehr
  • slide 9
    Mustafa Khalifa
    The Shell
    Der Ich-Erzähler kommt nach sechs Jahren Studium in Paris zurück in sein Land. Syrien, auch wenn es im Text praktisch nicht benannt wird...
    Taschenbuch mehr
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    Daniel Gerlach
    Herrschaft über Syrien. Macht und Manipulation unter Assad
    Daniel Gerlach ist ein Kenner von Syrien und dem Nahen Osten. Als Mitarbeiter des Magazins zenith steht er in Kontakt mit vielen am Gesch...
    Broschiertes Buch mehr
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    Samar Yazbek
    Die gestohlene Revolution – Reise in mein zerstörtes Syrien
    Diese mutige Schriftstellerin mimt nicht die Heldin. Gemeinsam mit Samar Yazbek durchleben wir die Verzweiflung und die Zerstörung. Sie e...
    Broschiertes Buch mehr
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    Herausgegeben von Larissa Bender
    Innenansichten aus Syrien
    Larissa Bender hat Beiträge von Autorinnen und Autoren, Theaterschaffenden, Photographinnen und Photographen, Journalisten und Journalist...
    Broschiertes Buch, mit zahlr. Abb. mehr
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    Hamid Sulaiman
    Freedom Hospital
    Expressionistische Zeichnungen und urbane Sprache charakterisieren Freedom Hospital. Die Art und Weise in der Hamid Sulaiman sein Werk ze...
    Broschiertes Buch mehr
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    Niroz Malek
    Der Spaziergänger von Aleppo
    Im Nachwort zu seinen 57 Miniaturen schreibt Niroz Malek: "Das Schreiben über diesen Krieg ist schmerzhaft, sehr schmerzhaft."...
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    Hamed Abboud
    Der Tod backt einen Geburtstagskuchen
    Kurze literarische Prosa gegen die Ungeheuerlichkeit des Krieges und des Tötens. Abboud bedient sich des Fantastischen und des Schwarzen...
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    Jordi Savall
    Orient-Occident II: Hommage à la Syrie

    CD und Booklet mehr

Auf unserer Syrien-Seite können Sie  unser  ganzes Sortiment zu Syrien durchforschen, denn es gibt natürlich noch viele weitere Autoren und Autorinnen, die wir Ihnen gerne empfehlen, und weitere Bücher über die Region, ihre Geschichte, den aktuellen Krieg. Sie finden dort auch Musik und Filme aus Syrien. Aktuell legen wir Ihnen hier die Bücher (Ebenholz, Wächter der Lüfte) von Rosa Yassin Hassan ans Herz, die im November und Dezember in Zürich zu treffen sein wird.